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Deniz, die Lokomotive

Deniz, die Lokomotive

Titel: Deniz, die Lokomotive Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Masannek
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fluchte der Dicke Michi hinter mir her.
    „Aber pass auf! Diese Mistkerle sind einfach die Pest. Sie kleben sich wie Kaugummi und Hundedreck an deine Füße!“
    „Ja, vielleicht!“, antwortete ich und ging einfach weiter.
    Ich fühlte mich großartig. Diese Wilden Kerle mussten mehr als wild sein, sonst hätten sich solche Monster wie die Unbesiegbaren Sieger nicht schon beim Nennen ihres Namens vor Angst ins Hemd gemacht. Ja, und was mir am allerbesten gefiel, war, dass mich der Dicke Michi und seine Mistkerle fast schon zu ihnen zählten. Für sie war ich fast schon ein Wilder Kerl .
    Ich ging jetzt nicht mehr. Ich schritt. Ich schritt die Straße entlang. Dann schritt ich über den Feldweg und die Hügelkuppe hinauf, ja, und während ich den Kamm überquerte, tauchte er doch tatsächlich auf. Wie eine Schatzinsel schälte er sich aus dem Nebel: der Bolzplatz der Wilden Kerle . Der Teufelstopf .

Im Hexenkessel der Hexenkessel
    Ehrfurchtsvoll blieb ich vor dem Tor im Holzzaun stehen und las das Schild, das sich von Torpfosten zu Torpfosten über mir spannte. Das Stadion der Wilden Kerle e.W. . Der Hexenkessel aller Hexenkessel: „Der Teufelstopf !“

    „Beim fliegenden Orientteppich!“, schoss es mir durch den Kopf. „Hier wolltest du immer schon hin!“
    Ich schulterte meine Sporttasche und ging langsam los. Mit dem feuerroten Irokesenhaarkamm und in der viel zu schweren Motorradjacke durchschritt ich das Tor. Die Warnung des Dicken Michi war längst vergessen. Ich betrat den Teufelstopf und lief tiefer und tiefer in den Hexenkessel der Hexenkessel hinein. Links von mir sah ich den Kiosk und einen uralten Wohnwagen. Davor stand ein wackliges Fass unter einem riesigen pechschwarzen Regenschirm, der auch als Sonnenschutz diente. „V.I.P.-Lounge“ hatte man in knallorangen Buchstaben auf ihn gemalt. Doch dann schnalzte ich mit der Zunge. Neben dem Regenschirm ragte ein Holzpfahl in den Himmel hinein, und an seiner Spitze konnte ich gerade noch eine Batterie Baustrahler erkennen.
    Dreibeiniger Ochsenfrosch! Diese Wilden Kerle hatten nicht nur ein Stadion. Sie hatten sogar eine Flutlichtanlage, und selbst wenn alles selbst gebaut war, war es tausendmal besser als der Acker, den uns der TSG Hertha 05 zum Training zuteilte. Nur die erste Mannschaft durfte auf dem Golfrasen kicken. Das war überall so. In jedem Verein. Doch im Teufelstopf war das anders. Hier waren die Wilden Fußballkerle die erste Mannschaft. Hier gab es niemanden, der wichtiger war.
    Ich kam aus dem Staunen nicht mehr heraus, und deshalb bemerkte ich die Stille, die mich seit dem Überschreiten der Hügelkuppe umgab, erst, als ich vor ihnen stand.

    Die Wilden Kerle starrten mich an, als wäre ich wie ein Pinguin aus dem Kühlschrank marschiert, und für einen Moment stand ich auch genauso regungslos da. Doch dann sah ich Willi, den Trainer, und der lächelte mich doch tatsächlich an.
    Beim fliegenden Orientteppich! So ein Lächeln hatte ich noch nie im Leben gesehen. So würde mein Vater ganz bestimmt lächeln, wenn mich die Talentsucher der Bayern auswählen würden. Das gab mir Mut. Zu viel Mut vielleicht, denn da, wo ich herkam, ist man sowieso schon absolut cool. Auf jeden Fall will jeder so sein.
    „Hi! Ich bin’s, Deniz!“, grinste ich Kaugummi kauend. „Wo zieht ma-ha-han sich bei euch hier um?“
    Die anderen sagten kein Wort. Besonders Leon und Fabi blitzten mich so feindselig an, als hätte ich ihre Mütter beleidigt. Doch ich war das nicht anders gewohnt. Dort, wo ich herkam, war das normal. Dort, wo ich herkam, war ein Lächeln wie das von Willi so selten wie eine Eins im Diktat.
    Deshalb schaute ich mich selbst nach einer Umkleide um, und als ich keine entdeckte, ging ich zum Spielfeldrand.
    „Wisst ihr, ich kann nichts dafür!“, grinste ich. „Wil-ha-hilli hat mich gefragt, ob ich kommen will. Und Wil-ha-hilli ist euer Trainer. Habe ich Recht?“
    Mit diesen Worten setzte ich mich ins Gras und zog mich seelenruhig um. Leon und Fabi ballten die Fäuste.
    „Ist das wahr? Hast du das wirklich getan?“, beschossen sie Willi.
    Der druckste herum, trat auf der Stelle und schob seine rote Baseballkappe aus der Stirn in den Nacken.
    „Ja, das hab ich!“, gestand er. „Wieso? Habt ihr etwas dagegen?“
    „Wie bitte?“, wetterte Leon. „Ist das ein Witz? Verflixt! Seit wann bestimmst du, wer bei uns mitspielen darf?“
    „Das tu ich doch gar nicht!“, beruhigte ihn Willi. „Deniz trainiert einmal mit. Danach könnt

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