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Deniz, die Lokomotive

Deniz, die Lokomotive

Titel: Deniz, die Lokomotive Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Masannek
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in Fußballschuhen geboren. Der Ball hörte auf ihn, las seine Gedanken und tat Dinge, die kein Fußball sonst tut. Er sprang vom Fuß direkt in den Nacken, hüpfte von dort auf die Hacke, schlüpfte zwischen den Beinen hindurch, schnellte aufs Knie und von dort auf den Kopf. Und bevor ich es wirklich begriff, stand Rocce, als hätte man ihn dorthin gebeamt, drei Meter von mir entfernt und zum Einschuss bereit vor meinem Tor. Ich schrie vor Schreck auf, sprang über die Bierkästen, grätschte im letzten Moment in den Schuss, den Rocce viel zu verspielt und verschnörkelt ansetzte. Dann sprang ich auf, drängte den Zauberer mit angelegten Armen zu Seite, versperrte ihm mit dem Hintern den Weg, kämpfte und rackerte mich um die Bierkästen herum und schoss den Ball kompromisslos scharf ins Tor.
    Das saß. Rocce und die Wilden Fußballkerle machten alle ziemlich lange Gesichter. Doch ich freute mich ein bisschen zu früh.

    Leon war nicht umsonst der Anführer dieser nachtschwarzen Truppe. Er war ein gerissener Hund.

    Er schickte Joschka gegen mich auf den Platz, und nachdem ich ,Die siebte Kavallerie‘ blitzschnell und mühelos schlug, folgte ihm Raban.

    Raban, der Held, machte einen Mordswirbel, doch auch er blieb keine 30 Sekunden lang auf dem Feld. Danach fühlte ich mich absolut sicher. Meine Knie waren jetzt wieder fest. Ich konnte mich wieder auf meine Füße verlassen. Doch genau das hatte Leon geplant. Ich wurde leichtsinnig und überheblich, und als Juli gegen mich antrat, nahm ich ihn überhaupt nicht mehr ernst. Ja, warum sollte ich das? Ich hatte Rocce besiegt und Raban und Joschka, und Juli würde der Nächste sein, den ich schlug.

    Doch Juli hieß Juli „Huckleberry“ Fort Knox, die Viererkette in einer Person, und an dem kam keiner vorbei. Wie konnte ich das nur vergessen? Immer wieder rannte ich in ihn hinein, wurde von ihm auf allen vier Seiten umstellt und verlor jedes Mal wieder den Ball. Dann stürmte er los und, beim dreibeinigen Ochsenfrosch, hatte ich Glück, dass Juli kein begnadeter Torschütze war. Zweimal vergab er frei vor dem Tor, und als ich nach zehn endlos langen Minuten doch traf, war ich völlig geschafft.

    Ich sank in die Hocke und sah japsend zu, wie Juli auf Leon zulief und die Hand hob.
    „Alles ist gut!“, rief er, als hätte er gar nicht verloren, und Leon schlug ein zum High-Five.
    „Ja, solange du wild bist!“
    Dann schickte er Felix als nächsten Gegner zu mir.
    „Felix! Halt einfach solange durch, wie du kannst!“, rief er ihm nach, und schaute mir dabei direkt in die Augen. „Der Kerl kriecht auf dem Zahnfleisch! Und selbst wenn du es nicht schaffst, Felix: Einer von uns macht ihn platt. Das verspreche ich dir.“
    Und dieses Versprechen galt jetzt nicht nur für Felix. Es galt auch für mich. Dreibeiniger Ochsenfrosch! Wenn du erst vier Wilde Kerle hinter dir hast und noch acht auf dich warten, dann hängt dir die kleinste Erschöpfung wie ein Betonklotz am Bein. Dein Atem beginnt plötzlich zu pfeifen. Die Füße sind schwer, und wenn dann einer wie Felix gegen dich kämpft, ich meine, wie Felix, der Wirbelwind, dann steckt dir selbst noch das Spiel vom letzten Samstag in den Knochen.
    Doch was sollte ich tun? Was hättet ihr an meiner Stelle getan? Hättet ihr aufgegeben? Oder hättet ihr vielleicht geheult, dass das ungerecht ist, unfair und fürchterlich böse oder gemein? Pfui Teufel! Das hättet ihr nicht! Da bin ich mir sicher. So was tut kein Mensch auf der Welt. Nicht mitten im Spiel, wenn er die Herausforderungen angenommen hat und wenn er sich irgendwie für einen Wilden Kerl hält.

    Also machte ich weiter, und nach sieben harten Minuten ging die Nummer 7 mit Asthma, aber ungeschlagen vom Platz.

    Felix, dem Wirbelwind, folgte Jojo, der mit der Sonne tanzt, und der hielt mich neun Minuten lang auf Trab. Markus, der Unbezwingbare, tat sein Bestes als Torwart und Marlon, die Nummer 10, war die Pest. Ihm klebte der Sieg an den Stiefeln. Dreimal kam er an mir vorbei. Dreimal traf er den Pfosten, und dann, nach 15 qualvollen Minuten, hatte er einfach nur Pech: Er grätschte in meinen Schuss und lenkte ihn selbst in sein Tor.

    Der Sieg war geschenkt, doch ich war völlig ausgelaugt. Ich konnte nicht mehr, aber Maxi „Tippkick“ Maximilian, der Mann mit dem härtesten Schuss auf der Welt, kam schon auf den Platz. Breitbeinig stellte er sich vor mir auf, und sein berühmtes lautloses, grinsendes Lächeln zeigt mir deutlich, was er von mir

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