Denk an unsere Liebe
versteht wirklich etwas von Kunst“, sagte Eivind nach einer längeren Ausführung über das braune Bild.
Was für eine verantwortungsvolle Arbeit, dachte Toni und fuhr laut fort:
„Du kannst dir nicht vorstellen, Eivind, wieviel eine Leiterin einer solchen Diätküche können muß. Sie bekommt Bescheid, daß das Tagesmenü eines Patienten soundso viel Fett enthalten darf, soundso viel Eiweiß und Kohlehydrate, weder mehr noch weniger, und dann ist es ihre Aufgabe, das Menü so zu komponieren, daß es medizinisch richtig ist, gut schmeckt, abwechslungsreich ist und appetitanregend aussieht. Das ist nicht nur Kochen, siehst du, das ist eine Wissenschaft.“
Eivind war gut gelaunt und lachte.
„Dies ist deutlich ein Treffen zwischen Kunst und Wissenschaft“, sagte er und küßte Toni. „Wenn du fertig bist, gehen wir. Wir sollten ja eigentlich etwas Zeit haben vor der Vorstellung und einen Spaziergang auf Skansen machen.“
Es war ein warmer und schöner Sommerabend, und sie genossen ihn wirklich und aufrichtig. Sie freuten sich, die Tiere auf Skansen zu sehen und freuten sich über die Theatervorstellung, und zuletzt genossen sie das herrliche Abendessen in der behaglichen Umgebung von „Högloftet“.
Sie hatten beide eine Weile geschwiegen, jetzt lächelte Toni. „Weißt du, woran ich denke, Eivind?“
„Entweder an farcierte Küken oder an Fleischbrühe mit Eiernockerln“, lachte Eivind.
„Nein, diesmal nicht. Ich denke an Frau Brachfeldts Philosophie. Wie eine Ehe vollkommen harmonisch sein kann, selbst wenn die Ehepartner verschiedene Interessen haben. Wie gesund das für beide ist, abschalten zu können in der gegenseitigen Gesellschaft. Daß man Fach Fach sein lassen soll und bloß Mensch sein und nichts anderes, wenn man mit dem zusammen ist, den man am liebsten hat.“
Eivind fand ihre Hand unter dem Tisch.
„Toni, Kleines, ich habe dich sehr lieb“, flüsterte er. Und ihre Hand gab den Druck zurück.
Der Mond war aufgegangen. Arm in Arm gingen sie zurück zur Stadt, bis Toni müde wurde und sie ein Taxi auftrieben. Und im Auto saß sie fest an ihn geschmiegt.
„Und morgen geht’s also heimwärts“, sagte Eivind. „Bist du zufrieden mit deiner Hochzeitsreise?“
„Und ob! Es war wunderbar“, flüsterte Toni.
Diesen Abend schlief sie in Eivinds Arm. Er lag und schaute sie an. Wie sie so dalag, ruhig und gleichmäßig atmete. Mit ihren roten Bäckchen und den zerzausten Locken sah sie aus wie ein kleines Mädchen. Jetzt war sie kein Kurator, keine tüchtige berufstätige Frau. Sie war nur seine Frau.
Und so liebte er sie.
Toni schloß die Tür zu Nummer 15 leise hinter sich und blieb nachdenklich im Korridor stehen, die Hände tief in den Taschen ihres weißen Kittels vergraben. Sie hatte Furchen auf der Stirn und biß sich auf die Unterlippe.
Die Stationsschwester ging durch den Korridor und blieb stehen, als sie Toni sah.
„Na, Frau Löngard? Sie sehen ja so nachdenklich aus?“
Toni blickte auf.
„Ja, ich habe beinahe eine Stunde bei Frau Torverud gesessen.“
„Ach, die Arme. Ja, das ist schlimm.“
„Wissen Sie, wieviel der Chefarzt ihr gesagt hat?“
„Ich glaube, nichts. Wollen Sie nicht selbst mit ihm sprechen?“
Toni blieb noch einige Sekunden stehen, dann hob sie den Kopf und warf die Haare zurück.
„Ja. Ich laufe hinunter und sehe, ob er im Sprechzimmer ist.“
Sie ging langsam die Treppe hinunter und dachte nach.
Frau Torverud war ein prachtvoller Mensch. So ruhig, so ausbalanciert, so klug. Eine kräftige, frische Bauersfrau war sie, ein Arbeitseisen und eine gute Mutter für die vier Kinder. Ja – die Kinder. Die Gedanken kreisten nur um die Kinder.
„Sie verstehen“, hatte sie eben gesagt, „ich finde, ich habe eine große Verantwortung. Und nun liege ich hier und bekomme nicht mal zu wissen, was mir fehlt. Ich gestehe ehrlich, daß ich bange bin, Frau Löngard. Nicht bange vor der Krankheit, aber vor der Ungewißheit. Bitte, sagen Sie mir die Wahrheit! Wenn es ganz schlimm mit mir ist, muß ich es wissen. Wenn meine Kinder die Mutter verlieren sollen, so ist da viel zu ordnen. Die Zeit ist kostbar.“
Toni hatte dagesessen und in das ruhige harmonische Gesicht geschaut, ruhig, trotz der Angst, die es verriet.
„Gibt es etwas, womit ich Ihnen helfen kann?“ hatte sie gefragt. „Kann ich für Sie an Ihre Kinder schreiben, oder…“
„Wenn Sie mir einen klaren Bescheid verschaffen könnten, so daß ich wüßte, woran ich bin“,
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