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Denk an unsere Liebe

Denk an unsere Liebe

Titel: Denk an unsere Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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spielen, dieselbe, die sie vor einem Jahr auf einer Schallplatte gespielt hatten.
    Nachher wurde es still. Nach einer langen Pause sagte Toni flüsternd: „Eivind, ich verstehe vielleicht nicht so viel von Musik. Aber ich finde – ich finde, du spielst ebenso gut wie Solomon auf der Schallplatte…“
    „Ach, du!“
    „Nein, natürlich habe ich unrecht. Mir scheint, Eivind, du spielst, als ob du mir etwas sagen wolltest, ohne an meine Vernunft oder Logik oder Auffassungsgabe zu appellieren. Du sagst es direkt zu meinem – Unterbewußtsein…“
    „… können wir es nicht Herz nennen?“
    „Ja, genau das, du sagst mir etwas…“
    Er stand an ihrer Seite und drückte ihren Kopf an sich.
    „Was denn?“
    „Du sagst etwas von Mut, oder Befreiung – nein, Hoffnung.“
    „Richtig, Toni! Du hast es verstanden.“
    „Ich weiß bloß nicht, bist du es oder Brahms, der das so fabelhaft ausgedrückt hat?“
    „Beide“, schlug Eivind mit einem Lächeln vor.
    Sie zehrten lange von diesem Geburtstag. Dieser Tag hatte ihnen so viel Gutes gebracht, daß er sie für lange Zeit stärkte. Und das war nötig.
    Eivind mußte viele einsame Stunden an seinem Pianino erleben. Immer und immer wieder geschahen Dinge, die er nachgerade so gut kannte.
    „Ich konnte nicht früher kommen, Eivind, weißt du, es war ein Basedowpatient, der…“
    „Eivind, es tut mir so leid, aber ich kann heute abend nicht mit dir ausgehen. Ich muß in diesen Vortrag des Mentalhygienischen Vereins gehen…“
    „Sei nicht böse, Eivind, aber diesen Mann muß ich treffen, und er ist bloß am Abend daheim – und ich muß mit ihm reden, ehe seine Frau aus dem Krankenhaus heimkommt, sonst…“
    „Aber Eivind! - Wenn du dagelegen hättest mit einer tödlichen Krankheit, würdest du es da nicht schrecklich finden, wenn der Mensch, dem du vertraust, sagt: Ja, entschuldigen Sie, jetzt wird mein Essen kalt?’ Eivind, du bist jung und frisch und gesund. – Du kannst mich einige Stunden entbehren, aber dieser Mann liegt im Sterben…“
    Immer häufiger gebrauchte Toni dieses Argument: „Du hast gut reden, du bist frisch und brauchst mich nicht so wie der und jener…“ Und war Toni wirklich einen Abend zu Hause und saß sie nicht müde und stumm in ihrem Lehnstuhl, sondern versuchte süß und unterhaltend zu sein, so endeten ihre Gespräche doch immer mit Krankenhausgeschichten. Sie überwucherten Tonis Dasein und drohten auch Eivinds Leben zu überwuchern. Fremde und merkwürdige Worte wie Zerebralfunktionen, vasoneurotische Störungen, manisch-depressive Zustände, schizophrene Perioden und andere unfaßbare Dinge brachen disharmonisch und störend in Eivinds einfache und praktische Gedankengänge ein. Sie brachten eine unausstehliche Atmosphäre von antiseptischer Sachlichkeit mit sich.
    Also tröstete sich Eivind mit dem Pianino, aber selbst dieser Trost hatte einen bitteren Beigeschmack.
    „Etwas Freude mußt du doch davon haben, daß deine Frau Geld verdient.“ – Diesen Satz wurde er nicht los. Der grub sich tiefer und tiefer in ihn ein und nahm unnatürliche Dimensionen an.
    Teufel auch, daß dieses reizende kleine Instrument ausgerechnet von dem verdammten Krankenhausgeld gekauft war!
    Und dann geschah es, daß Toni sich leise erhob, sich hinter ihn stellte und ihm über die Haare strich – gerade dann, wenn er aufstehen, tief Atem holen und ihr seine Meinung sagen wollte; daß er es nun satt habe, mit einem Kurator verheiratet zu sein, daß er nun endlich eine lebendige, warme, anschmiegsame Frau haben wolle…
    Aber da war sie plötzlich, jung und warm und anschmiegsam, und Eivind gestand sich ein, daß er sie trotz allem liebte, schmerzlich und demütig liebte, durch ihre unsichtbare Krankenhausaura hindurch liebte.
     
    *
     
    Dann wurde sie zu einer Gesellschaft beim Chefarzt eingeladen.
    „Sie verstehen, Frau Löngard“, hatte der Chefarzt gesagt, „meine junge Nichte ist in die Stadt gekommen. Also muß ich alle jüngeren Menschen, die ich kenne, zusammentrommeln, damit das junge Ding mit jemand hier bekannt werden kann. Bringen Sie Ihren Mann mit, und kommen Sie Samstag um acht, seien Sie so nett.“
    „Vielen Dank. Und Anzug?“
    „Wir müssen wohl Smoking sagen, denn wir wollen es doch so festlich wie möglich für das Mädchen machen.“
    So stand also Toni wieder vor dem Spiegel und zog ihr grünes Moirekleid an.
    Wieder nahm sie die kleinen Goldsandalen aus der Schachtel, wieder hing der Blaufuchs vor dem Kamin zum

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