Denk an unsere Liebe
dieses Lächeln zauberte in den Ton zwischen ihnen einen undefinierbaren, kleinen Beiklang von Vertraulichkeit.
„Siv“ ist ein selten gebrauchter norwegischer Name. Das Wort bedeutet „Binse“. – Liv ist ein ganz gewöhnlicher Frauenname.
Eivind beugte sich vor und versuchte über den Tisch Tonis Augen einzufangen. Sie saß in einer eifrigen Diskussion, das Eis auf ihrem Teller war zerschmolzen, während sie irgend etwas mit Leidenschaft gegenüber ihrem Tischnachbarn verteidigte. Das Haar und der rote Mund leuchteten und glitzerten, je nachdem sie sich nach rechts oder links wandte.
Der Herr auf ihrer anderen Seite – beide Tischherren Tonis waren Assistenzärzte am Krankenhaus – nahm auch eifrig an dem Gespräch teil, während seine Tischdame einsam und verlassen dasaß.
Endlich fing Eivind ihren Blick für einen Moment ein, er lächelte und hob sein Glas.
„Prosit!“ rief er ihr über den Tisch zu.
Toni nickte und erwiderte sein Zutrinken kurz und freundlich. Dann wandte sie sich wieder dem einen der Ärzte zu und nahm das Gespräch erneut auf.
Nach Tisch saß Toni in einem Kreis von Herren. Man hörte ihre klare, sichere Stimme heraus, und man merkte, sie sprachen über Dinge, die sie gut verstand. Eivind fing das eine und andere Wort auf. Er hatte das Gefühl, daß die meisten mit „mental“, „psycho“ oder „neuro“ anfingen.
„Wie hübsch Ihre Frau ist“, sagte Siv. Ihre Augen hingen bewundernd an Toni. Eivind lachte.
„Wenn meine Frau das gehört hätte, würde sie laut gelacht haben“, sagte er. „Sie macht sich über ihre Stupsnase und die Sommersprossen immer selbst lustig.“
Siv blickte wieder auf Toni.
„Aber sie ist doch hübsch. Sie hat so schöne Farben. Und Sie finden sie doch sicher auch hübsch.“
„Ja“, sagte Eivind. Er mußte Siv recht geben. Toni hatte schöne Farben. Besonders jetzt, wo sie vor Eifer glühte und sich rasch von einem zum andern wandte. Ihre Augen glitzerten, der rote Mund, der im Grunde zu groß war, öffnete sich beim Lächeln und zeigte blendendweiße Zähne.
Und auf einmal erinnerte sich Eivind daran, wie Toni auf der Gesellschaft des Bankdirektors ausgesehen hatte. Müde, blaß, mit einem angestrengten Gesicht, das liebenswürdig zu lächeln versuchte, während die Gedanken weit weg waren. Wie sie da mit konventioneller Höflichkeit empfangen worden war, während sie hier von Kameradschaft und Bewunderung umgeben wurde.
Eivind warf einen Blick auf Sivs helle, weidenbiegsame Kühlheit. Und mit einemmal kam es ihm vor, als ob Tonis starke Farben gar nicht mehr so schön wären. Sie waren zu grell, zu stark, und Tonis ranke, schlanke Figur war plötzlich zu kräftig, zu breitschultrig. Ihre Intensität in den Farben, in der Stimme, im Tonfall wurde ihm plötzlich zu viel. Er wandte sich ganz Siv zu, seine Augen fanden Ruhe auf ihrer stillen Sanftheit und ihren zarten Pastellfarben. „Sie gehen also auf die Industrieschule“, sagte Eivind. „Und sonst?“
Siv lächelte. „Ja, ich hoffe doch, ein wenig auszugehen, wenn ich schon in die Stadt gekommen bin, einige Theatervorstellungen zu sehen und gute Konzerte zu hören.“
„Spielen Sie selbst auch?“
„Ja, so zum Hausgebrauch. Ich habe mit meiner Mutter ziemlich viel vierhändig gespielt. Das macht viel Spaß.“
„Ja“, sagte Eivind mit Überzeugung, „das macht viel Spaß.“
„Was macht denn so viel Spaß, Eivind?“
„Ach, du bist das, Toni? Hast du dich endlich losgerissen? Ich sagte gerade, es ist so amüsant, vierhändig zu spielen, Fräulein Stendal spielt nämlich auch.“
„Ach, tun Sie das? Wie nett! Sie müssen zu uns kommen und mit meinem Mann spielen, wenn an seinem Puppenklavier Platz genug ist für zwei. Das wäre furchtbar nett, nicht wahr, Eivind?“
„Ja, sehr! Wollen Sie, Fräulein Stendal?“
„Wenn ich nur genügend kann für Sie, dann…“
„Gott bewahre, Sie sind sicher viel tüchtiger als ich. Wann kommen Sie?“
Siv lachte. „Nun, wenn Sie mich anrufen.“
„Wir rufen Sie an, ehe Sie es ahnen“, sagte Toni. „Glauben Sie mir, ich gönne meinem Mann einen Menschen, mit dem er seine Musikinteressen teilen kann. Er hat nämlich eine schreckliche Frau, die bloß vom Krankenhaus reden kann. Wollen wir nicht gleich einen Tag ausmachen? Paßt Ihnen Mittwoch? Könnten Sie nicht zum Musizieren und einer Tasse Tee kommen? Den Tee besorge ich, die Musik mein Mann.“
„Das ist sehr liebenswürdig von Ihnen, Frau Löngard, und natürlich
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