Denk an unsere Liebe
Kleinigkeiten, so daß die Ärzte und das Küchenpersonal um die Wette lachen mußten. Es breitete sich eine richtig nette, animierte Stimmung aus, und Fräulein Broberg vermochte das Interesse vom ersten bis zum letzten Augenblick zu fesseln.
Die Schwestern zogen sich zurück, ebenso einige der jüngeren Arzte. Zum Schluß saß nur ein gemütlicher kleiner Kreis zusammen: die Vortragende, der Chefarzt, der Oberarzt, ein paar Assistenten und Toni.
Es endete beim Oberarzt, mit einem Mitternachtskaffee und viel Scherz über vernünftige Diät und unvernünftiges Kaffeetrinken.
Und mitten in einer Vitamindiskussion zwischen Fräulein Broberg und dem Chefarzt, wo A-, B-, C- und D-Vitamine förmlich die Klingen kreuzten, kam der Gastgeber grabesernst mit einer Likörflasche und fragte, ob es ein wenig X-Vitamin sein sollte? Und es gab nicht nur ein Glas dieses wunderwirkenden Vitamins für die Gäste, ehe sie in gehobener Stimmung aufbrachen.
Toni konnte sich nicht erinnern, wann sie zuletzt in so strahlender Laune gewesen war. Diesmal war es ihr geglückt, abzuschalten. Sie hatte tatsächlich den ganzen Abend nicht an ihre Arbeit gedacht. Sie hatte diese amüsante und muntere Gesellschaft genossen, es genossen, mit Menschen zusammen zu sein, die ihre Interessen teilten, intelligente und nette Menschen, die außerhalb der Arbeitszeit neue und überraschende Seiten zeigten. Toni fühlte sich heimisch und sicher unter ihnen. Sie waren alle aneinander gebunden, eingefangen von der eigenartigen, merkwürdigen Atmosphäre des Krankenhauses.
Aber zu Hause lag Eivind in seinem Bett und konnte nicht schlafen. Ein sonderbarer Vortrag, der so lange dauerte! Und wenn es nicht der Vortrag war, der Toni abhielt, was war es dann?
Er sah sie vor sich, so wie sie sicher heute war – guter Laune, interessiert, mit blanken Augen und dem wachen, intelligenten Blick. Nicht die müde und ferne Toni, die er von den letzten Monaten her kannte, sondern das rasche, lebhafte, kluge Mädchen, in das er sich damals verliebt hatte.
Jetzt waren es andere, die sich in ihrem Glanz sonnten – ja, Toni konnte glänzen, wenn sie in guter Stimmung und richtig aufgedreht war. Eivind wußte es jetzt, wußte es mit einer grenzenlos bitteren Sicherheit. Er war nur etwas Alltägliches für Toni, gehörte in dieselbe Klasse wie der Lehnstuhl und die Hausschuhe. Wenn sie zu ihm heimkam, war sie todmüde, besaß nicht den Lebensüberschuß, der dazu gehörte, um dem Alltag Helle und Glanz zu verleihen. Sie lebte in ihrer Welt und er in der seinen. Und ihre Lebenslinien liefen keineswegs parallel. Sie hatten sich in einem kurzen, wunderbaren Augenblick gekreuzt. Nun gingen Toni und Eivind wieder jeder in seiner Richtung. Sie entfernten sich voneinander mit jedem Tag, der verging.
Und Eivind wagte nicht, an den Tag zu denken, an dem sie so weit auseinandergekommen sein würden, daß sie einander nie mehr finden konnten.
Es blieb ein wahres Glück, daß eine von Tonis Patientinnen zufällig ein Datum erwähnte.
„Ich bin so froh, daß ich morgen heimgehen kann“, sagte die Patientin, eine junge Frau, „da bin ich am Zehnten zu Hause, und da hat mein Mann Geburtstag.“
Den Zehnten! Geburtstag!!
Himmel, am Zehnten, also übermorgen – hatte doch auch Eivind Geburtstag! Tatsächlich hätte sie das vergessen, wenn dieses Datum nicht zufällig erwähnt worden wäre.
Was sollte sie ihm schenken?
Sie erinnerte sich an seinen vorjährigen Geburtstag. Da war sie noch ganz neu im Krankenhaus, hatte noch nicht viel Geld erspart, aber sie hatte etwas gekauft, von dem sie wußte, daß Eivind es sich wünschte, nämlich ein paar gute Schallplatten. Er war ja so musikalisch, und sie erinnerte sich gut an jenen Abend, als sie zusammen in seinem Heim gegessen hatten, das jetzt ihr gemeinsames Heim war. Sie hatten Krebse gegessen und Weißwein getrunken und die Platten gespielt. Es war Chopins chromatische Etüde und eine Rhapsodie von Brahms. Und sie hatten fantasiert und für die Zukunft geplant und waren ganz erfüllt von ihrem Glück und wachen Träumen.
„Warte nur“, hatte Toni gesagt, „wenn ich reich bin, werde ich mich nicht damit begnügen, dir ein paar Schallplatten zu schenken, da sollst du einen Flügel bekommen.“
„Das wäre so was“, hatte Eivind gesagt, „da müßtest du gleichzeitig ein Haus bauen, um ihn unterzubringen. Nein, hättest du gesagt ein Pianino, dann…“
Ein Pianino!
Furchtbar leichtsinnig würde es sein, schrecklich
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