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Denk an unsere Liebe

Denk an unsere Liebe

Titel: Denk an unsere Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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Krankenhaus entlassen war, Kaffee trank. Sie fand, daß sie Frau Löngard so viel schuldete. Sobald es sich machen ließ, ohne die Gastgeberin zu verletzen, brach Toni auf. Auf dem Heimweg arbeitete ihr Gehirn mit Hochdruck. Sie wußte, es war die schwierigste Aussprache ihres Lebens, die ihr nun bevorstand, und sie wußte, sie konnte dieser Schwierigkeit nicht entgehen.
    „Nun?“ sagte Eivind. Er war jetzt ganz ruhig, saß in seinem Lehnstuhl mit der Pfeife und einer Zeitung, die er weglegte, als Toni hereinkam. „Nette Gesellschaft?“
    „Das ist wohl zuviel gesagt.“
    Toni setzte sich und wärmte die Hände am Kamin. Eine Weile schwiegen sie. „Eine Zigarette, Toni?“
    „Danke, ja.“
    Eivinds Hände waren nicht ganz ruhig, als er ihr Feuer gab. Dann richtete Toni sich auf.
    „Eivind, nun müssen wir da durch. Wir müssen uns aussprechen, mag es biegen oder brechen.“
    „Ja, Toni.“ Er starrte in die Flammen, dann wandte er sich ihr mit einer entschlossenen Bewegung zu. „Ja, mag es biegen oder brechen. Aber ich fürchte, es bricht.“
    „So laß es wenigstens auf eine anständige Weise brechen.“
    „Ich bitte um Entschuldigung, weil ich unbeherrscht war, Toni. Ich hätte nicht alles sagen sollen, was ich beim Mittagstisch dir vorgeworfen habe.“
    „In Ordnung, Eivind.“
    „Verstehst du, Toni – als ich dich heiratete, wußte ich, ich heirate eine berufstätige Frau. Ich wußte, du würdest dein Arbeitsfeld haben, wie ich das meine. Und ich glaubte, wenn wir zu Mittag heimkämen, würden wir uns als gute Kameraden treffen, und die Nachmittage und Abende würden uns gehören. Ich hoffte, ich würde einen guten Weggefährten finden, jemand, der meine Interessen teilte, jemand, der für mich da sein würde in meiner Freizeit. Ich ahnte nicht, daß deine Arbeit dein ganzes Dasein überwuchern würde. Lange habe ich versucht, das zu verstehen, ja, im Grunde verstehe ich es auch noch. Es liegt eben in der Natur deiner Arbeit, daß sie dich ganz verschluckt, und du bringst es nicht fertig, das Leben zweier Menschen zu leben, ein Doppelleben. Du kannst nicht Ehefrau und Kurator zugleich sein, Toni! Du lebst und atmest für deine Patienten, gib es nur zu – was sehe ich aber von meiner Frau? Ein todmüdes und abgekämpftes Wesen, das sein Essen hinunterschluckt und ins Bett fällt. Wenn du daheim bist, redest du vom Krankenhaus, wenn du überhaupt noch Kraft zum Reden hast. Aber in der Regel bist du überhaupt nicht daheim, und zu allem Unglück kommt noch hinzu, daß du dich mit einem häuslichen Mann, einem hundertprozentigen Hausvater verheiratet hast. Und nun habe ich etwas zu viele einsame Abende erlebt, Toni.“
    Toni saß unbeweglich und hörte zu.
    Als Eivind endlich schwieg, wartete sie ein wenig, ehe sie antwortete. Dann sagte sie still, zart, aber ganz ruhig und beherrscht:
    „Laß mich zuerst eins feststellen, Eivind. Ich habe dich lieb, und das war immer so, schon vom ersten Augenblick an. Aber ich gebe zu, daß ich auch meine Arbeit liebe. Eivind, glaub es oder glaub es nicht, oft habe ich gewünscht, bei dir zu Hause sein zu dürfen, statt herumzulaufen und anderen Menschen zu helfen. Und hätte ich nur eine andere Arbeit gehabt! Wäre ich Sekretärin oder Stenotypistin oder irgend etwas anderes, so würde ich, ohne mit der Wimper zu zucken, meine Arbeit aufgeben und bloß noch Hausfrau und Ehefrau sein. Aber – ach, Eivind, ob du das wohl verstehst? Und wie soll ich es nur sagen, damit es nicht wie Prahlerei klingt?“
    „Ich kann es für dich sagen“, nun klang Eivinds Stimme ganz ruhig, beinahe warm, „du hast eine Aufgabe, du bist der geborene Kurator, die Patienten brauchen dich. Und du fühlst, du hast kein Recht, da zu versagen. Stimmt es?“
    „Ja, Eivind, so ist es. Und wenn ein alter, einsamer Mensch jemand braucht, mit dem er sich aussprechen und den er um Rat fragen kann, wenn ich so viel tun kann nur durch Zuhören, da ist es doch furchtbar schwer, davonzulaufen. Ich weiß, daß du wartest, aber du bist jung und gesund, Eivind, du hast das Leben vor dir, während viele Patienten…“
    „Einen Augenblick, Toni! Haben wir eigentlich das Leben vor uns? Wie lange glaubst du, soll dieser Zustand dauern? Ein Jahr? Fünf Jahre? Zehn Jahre? Noch länger? Nein, meine Liebe, wir haben das Leben nicht mehr vor uns. Wir sind beide über dreißig, wir stehen in der Mitte des Lebens, Toni, und jetzt ist es an der Zeit, es zu leben. Aber es zeigt sich, daß wir es nicht zusammen

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