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Denk an unsere Liebe

Denk an unsere Liebe

Titel: Denk an unsere Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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gekrochen, das zu konstatieren, hatte Eivind keine Gelegenheit. Das Kissen war so weich, und die Daunendecke konnte Toni ganz über den Kopf ziehen.
    Und die Tür zwischen den Zimmern war geschlossen.
    Es war nicht gerade angenehm für Toni, zum Krankenhausverwalter zu gehen und zu fragen, ob sie ein Zimmer im Krankenhaus haben könne. Alle wußten ja, daß sie verheiratet war, und wenn sie nun ausziehen wollte, konnte das nur eines bedeuten.
    Darum sagte sie es auch geradeheraus. Der Verwalter war diskret. Er versprach zu tun, was er konnte, und schon am gleichen Tag berichtete er ihr, sie könne ein Zimmer im Schwesternflügel beziehen.
    Toni war froh, daß es so rasch ging. Sie packte ihre Kleider und einige persönliche Sachen, und dann zog sie um. Eivind machte es so leicht wie möglich für sie, indem er an diesem Tag in der Stadt blieb. Jetzt konnte sie sich hundertprozentig ihrer Arbeit opfern.
    Sie nützte diese Möglichkeit auch bis zum Äußersten aus. Sie übernahm alles, war unermüdlich in ihrer Hilfsbereitschaft und Geduld. Sie wurde mitten in der Nacht geweckt, weil ein Patient in Fieberfantasien nach ihr rief. Toni stand auf, kleidete sich an und kam. Sie erhielt den Auftrag, mit Ehepartnern und Kindern zu sprechen, ganze Familientragödien wurden vor ihr aufgerollt, sie hörte zu, versuchte sich über die Probleme klarzuwerden und sich eine Lösung auszudenken.
    Sie kam zum Chefarzt mit ihrem wöchentlichen Bericht. Von diesem Gespräch mit dem Chefarzt hatten beide Partner Nutzen. Selbstverständlich wurden Toni oft Dinge anvertraut, die sie nicht weitererzählte, selbst nicht dem Chefarzt. Aber oft konnte sie nach ihren Gesprächen mit den Patienten den psychischen Hintergrund einer Krankheit klarlegen, und oft waren ihre Aufschlüsse von großem Nutzen.
    „Frau Löngard“, sagte der Chefarzt, als sie gehen wollte, „jetzt glaube ich, Sie brauchen selbst einen Arzt. Haben Sie sich die letzte Woche im Spiegel beschaut?“
    Toni mußte lächeln. „So wenig wie möglich, Herr Chefarzt, ich möchte mir die gute Laune nicht verderben.“
    „Aha, Ihre gute Laune. Sind Sie sicher, daß Sie in letzter Zeit so viel gute Laune zu verderben hatten?“
    Toni antwortete nicht – ganz einfach darum, weil sie nicht konnte. Sie bekam einen richtig ekelhaften und hartnäckigen Kloß in den Hals, und es kostete sie unglaubliche Mühe, den zu schlucken.
    „Setzen Sie sich hin, Kleine. Und heulen Sie los, wenn Ihnen das helfen kann. Das Seelische liegt mir nicht, und ich möchte nicht um alles in der Welt indiskret sein. Aber ich verstehe mich ein wenig auf das Physische, und ich brauche keine Hämoglobinproben von Ihnen zu nehmen, um Ihnen zu sagen, daß Sie blutarm sind. Und ich brauche kein Kreuzverhör mit Ihnen anzustellen, um zu wissen, daß Sie schlaflos sind. Wenn Sie Ihre schwere Arbeit schaffen wollen und gleichzeitig den Sturm abfangen, der Sie jetzt persönlich erfaßt hat, müssen Sie essen und schlafen. Verstehen Sie das? Wenn Sie ein leichtes Schlafmittel brauchen, können Sie es bekommen, damit Sie ein paar Nächte mal ordentlich ausschlafen können. Und Sie müssen essen. Versprechen Sie mir das?“
    Da war so vieles, was Toni hätte sagen wollen. Sie wollte sagen, daß sie ganz gewiß aß und ganz gewiß schlief, und der Chefarzt nicht besorgt sein solle. Aber es war, als ob ihr Gehirn streikte, in einer großen, leeren Müdigkeit.
    Und als der Chefarzt wiederholte: „Nun, versprechen Sie es mir?“ antwortete ihm nur ein müdes Stimmchen: „Ich will es versuchen.“
    Versuchen, ja.
    Am Tage war das Dasein noch erträglich. Da hielt die Arbeit sie in Atem. In ihrem Büro empfing sie ihre Patienten, die schon aufstehen durften, und sehr oft auch die Familien der Patienten. Auf den Stationen ging sie von Zimmer zu Zimmer und belud sich mit den Kümmernissen und Schwierigkeiten anderer Menschen. Aber am Abend, wenn sie in ihr kleines Zimmer heraufgekommen war, da stürzten die Gedanken auf sie ein, alle Gedanken, die die Arbeit während des Tages verjagt hatte. Was tat Eivind jetzt? Hatte er Sehnsucht? Oder hatte er sein Junggesellenleben wieder aufgenommen? War er vergnügt mit Freundinnen und Freunden, ging er in Gesellschaft ohne das Anhängsel einer müden und langweiligen Frau? Ein freier und junger Mann von vierunddreißig, ein Mann, der eine gute Stellung hatte, ein einnehmendes Wesen, Kunstverstand und gesellschaftliche Talente. So ein Mann war immer gesucht. Nein, Eivind langweilte

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