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Denkanstöße 2013

Denkanstöße 2013

Titel: Denkanstöße 2013 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabella Nelte
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Klarträume gibt. Schließlich hatte er sie ja erlebt. Und er war entschlossen, sie experimentell dingfest zu machen.
Die erste Verbindung zwischen Traumwelt und Wirklichkeit
    Es spricht für Dements offenen Geist, dass er trotz seiner Skepsis LaBerges Plan unterstützte und ihm sogar einen seiner Mitarbeiter zur Seite stellte, den etwas erfahreneren Lynn Nagel. »Ohne Lynn hätte ich es vielleicht nicht geschafft«, meint LaBerge, »er hat mir beigebracht, wie man Schlafaufzeichnungen macht.« Der Versuchsschläfer sollte mit einem Polysomnografen verkabelt werden, um seine elektrischen Hirnwellen, seinen Muskeltonus und seine Augenbewegungen zu messen. Routine in Schlaflabors. Aber was LaBerge und Nagel sich vorgenommen hatten, war weitaus kniffliger. Wie sollten sie nachweisen, dass der Schläfer tatsächlich luzide geworden war? LaBerge entschloss sich zum Selbstversuch, denn er wusste, dass er im Klartraum gezielt seine Augen rollen konnte. Am Freitag, dem 13. Januar 1978, gelang es. Nach siebeneinhalb Stunden Schlaf bemerkte er plötzlich, dass er gerade nichts sehen, hören oder fühlen konnte. Er schlief also. Dann fiel ihm ein, dass er im Labor lag und warum er dort lag. Mit vorher eingeübten Augenbewegungen gab er aus dem Klartraum heraus Signale an Nagel, der über seinen Schlaf wachte. Links, rechts, links, rechts. Die Instrumente zeichneten es schwarz auf weiß auf: die erste Verbindung zwischen Traumwelt und Wirklichkeit. William Dement sah sich genau an, was LaBerge und Nagel gemessen hatten, und es überzeugte ihn. LaBerge schrieb daraufhin seine Doktorarbeit, veröffentlichte Aufsätze und hielt Vorträge bei Fachkonferenzen. Doch er stieß immer wieder auf Widerstand. Die beiden führenden Wissenschaftsmagazine Nature und Science lehnten sein erstes Paper zur Veröffentlichung ab. Später erschien es doch. Die Schlafforscher, von denen damals viele nicht einmal an normale Träume glaubten, konnten die Klarträume nicht mehr ignorieren.
    Seither hat sich die Diskussion komplett gewandelt: Klarträume sind salonfähig geworden. Selbst die Eminenzen des Fachs nehmen sie ernst. Allan Hobson, der »Gottvater der Schlafforschung« – so ein Kollege über ihn –, leugnete lange, dass es Klarträume überhaupt gibt. Inzwischen ist er umgeschwenkt, schreibt Forschungsarbeiten über sie und pflegt selbst das Klarträumen.
    Die Entdeckung der Klarträume war ein Meilenstein der Schlafforschung. Denn die Erforschung des REM-Schlafs hatte gezeigt, dass Schlafen ein lebendiger Zustand ist. Aber die Untersuchung des Klartraums erwies, dass Schlafen auch ein bewusster Zustand ist. Das ist nicht nur eine wichtige Erkenntnis über das Schlafen, sondern auch über das Bewusstsein. Auch abgekoppelt von der Außenwelt, ganz in uns gekehrt, können wir zu klarem, ungetäuschtem Bewusstsein gelangen.
    Klarträumen ist ein unvergleichliches Erlebnis: die ultimative virtuelle Realität. Grundsätzlich kann jeder klarträumen und seine Vorstellungskraft nach Herzenslust ausleben. Es ist ein Freiflug der Phantasie. Klarträumen ist aber nicht nur ein Riesenspaß, sondern auch von therapeutischem Nutzen und wissenschaftlichem Wert für Psychologen, Neurowissenschaftler und Philosophen. Es wirft ein neues Licht auf den wundersamen Vorgang in unserem Gehirn, den wir Bewusstsein nennen. Bewusstsein – ein Rätsel, das die Denker seit Urzeiten umtreibt. Was ist das, Bewusstsein? Gibt es das überhaupt? Oder ist es nur Einbildung? Falls ja, wer bildet es sich ein? Einbilden ist schließlich auch ein Bewusstseinsakt. Es ist verwirrend. Lange Zeit nahmen die meisten, die darüber nachdachten, wie selbstverständlich an, dass Bewusstsein wie ein Lichtschalter funktioniert: entweder an oder aus. Klar, da gab es noch die Träume, aber die besprach man allenfalls mit seinem Bettgenossen oder mit seinem Therapeuten. Und ja, da waren Hippies wie Timothy Leary, die von »Bewusstseinserweiterung« durch Drogen redeten, aber das quittierten Forscher nur mit Spott und Augenrollen. Für sie war Bewusstsein eine Eigenschaft, die man hatte oder eben nicht. Sie waren auf der Suche nach dem »Sitz des Bewusstseins«, dem Gehirnmodul für Bewusstsein. Das Brodmann-Areal Nr. 24, eine Windung des limbischen Systems, galt hier als heißer Kandidat. Im Jahr 1992 machte Gerald Edelman,

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