Denkanstöße 2013
besser zusammen.
Klarträumen ist keine Geheimkunst. Fast jeder Mensch kann es lernen. Es gibt verschiedenste Rezepte dafür, und man kann einwöchige Seminare buchen oder spezielle Geräte kaufen, die dabei helfen sollen. Stephen LaBerge verkauft den NovaDreamer, eine Spezialbrille, die den Schläfer mit Lichtsignalen von einem normalen Traum in einen Klartraum leiten soll. Die Herstellung des NovaDreamer kostet nur ein paar Dollar, doch LaBerge verkauft ihn für teils vierstellige Beträge. Ab und zu gibt er zudem Seminare im Klarträumen. Auch sie lässt er sich gut bezahlen. So finanziert er sein Leben auf Hawaii. Er hat es mit der Wachwelt wie mit seinen Träumen gemacht â sie sich nach seinem Willen eingerichtet.
Die meisten Klartraum-Experten halten solches Spielzeug für überflüssig, sie entwickeln lieber ausgefeilte Anleitungen, um in Klarträume zu gelangen. Der derzeit letzte Schrei ist die Wake-back-to-bed-Methode (»Aufwachen und wieder ins Bett«), bei der man sich nach rund sechs Stunden wecken lässt, möglichst aus einem REM-Traum, sich eine Weile mit diesem Traum beschäftigt und in Gedanken an ihn wieder einschläft. Dann stehen die Chancen gut, dass man zurück in diesen Traum fällt â mit dem Bewusstsein, zu träumen.
Bei mir hat es auch ohne Anleitung geklappt. Bei einem Interview im Sommer 2008 empfahl mir der Schlafforscher und Psychiater Michael Wiegand: »Fragen Sie sich immer wieder, ob Sie gerade träumen, irgendwann nehmen Sie die Frage vom Wachen in den Traum mit.« Das tat ich dann auch. Jedes Mal, wenn ich auf die Uhr schaute, machte ich einen kurzen Realitätscheck: Alles logisch und plausibel um mich herum? Alles gemäà den Naturgesetzen? Irgendwelche Monster in Sicht? Nach gut drei Wochen fand ich mich in einem alten Holzhaus wieder. Auf den engen Stiegen merkwürdig verhutzelte Menschen â so merkwürdig, dass ich auch ohne weitere Realitätsprüfung begriff: Das muss ein Traum sein. Wenn ja, dann ist es mein Traum, dann kann ich ihn ändern. Ich nahm daher einen Deckenbalken ins Visier: »Werde rosa, Balken!« Der Balken sträubte sich zunächst, ich konzentrierte mich mehr, dann lief der Balken rosa an. Ein Traum also. Aber ein Klartraum! Vor Aufregung erwachte ich. In den folgenden Wochen kam mir in jeder zweiten oder dritten Nacht ein Klartraum. Ich experimentierte, flog über Städte und durch Computerspiel-Kulissen, träumte mir Menschen herbei, die ich vermisste. Ich staunte darüber, wie reich die Wahrnehmung im Klartraum ist. Die Sicht ist gestochen scharf, die Farben unvergleichlich kräftig. Der südafrikanische Mathematiker J. H. Michael Whiteman sagte einst über sein erstes Klartraum-Erlebnis: »Ich war nie vorher wach.« Auch ich fühle mich im Klartraum unglaublich wach, aber auf Dauer einsam. Ich weiÃ, dass alles in meinem Klartraum, jedes Ding und jedes Wesen, mein Werk ist â auch wenn die Menschen, die in meinen Klarträumen auftauchen, das manchmal bestreiten. Auf Dauer sind mir da echte Menschen und echte Dinge lieber. Mir kamen zeitweise so viele Klarträume, dass es mir lästig wurde. Manchmal wünschte ich mir, mich mal wieder einfach berieseln lassen zu können. Inzwischen habe ich nur noch alle paar Monate einen Klartraum.
Als das Wissen um die Klarträume sich in den 1970er-Jahren ausbreitete, erhofften Psychologen sich viel von ihnen: Klarträumen könnte zum Beispiel ein guter Weg sein, um Albträume zu verhindern, indem man sie gezielt »umträumt«. Oder es könnte ein guter Zustand sein, um schwierige Denkaufgaben zu lösen â volle Konzentration, in sich gekehrtes Bewusstsein. Doch die Hoffnungen verflogen. Es ist für die meisten Menschen einfach zu aufwendig, das Klarträumen zu lernen. Andere Techniken sind da erfolgreicher. Der Verlauf von Albträumen lässt sich beispielsweise besser durch mentale Ãbungen im Wachen verändern. Und bei Denkaufgaben ist Trauminduktion der geeignetere Weg: Wenn man sich beim Einschlafen auf das Problem konzentriert, arbeitet das Gehirn im Traum weiter daran. Klarträumen ist dafür nicht nötig.
Ein überraschender, einfacher und wirkungsvoller Trick, seine Träume zu beeinflussen, stammt von dem Psychologen Daniel Wegner von der Harvard University. Eine Spezialität von Wegner ist der psychologische
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