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Denken aus Leidenschaft: Acht Philosophinnen und ihr Leben

Denken aus Leidenschaft: Acht Philosophinnen und ihr Leben

Titel: Denken aus Leidenschaft: Acht Philosophinnen und ihr Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingeborg Gleichauf
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Eindruck hat man, wenn man Petra Gehring gegenübertritt: Man wird auf der Stelle hineingenommen
     in ein Gespräch, man fühlt sich nie taxiert, misstrauisch begutachtet, auf Vor- und Nachteile geprüft. Es kommt auf den Zwischenraum
     an, der sich in der Begegnung eröffnet, von Anfang an, auch wenn man sich vorher nicht gekannt hat. Man kann im Moment beobachten,
     wie eine Wirklichkeit geschaffen wird, die Wirklichkeit eines Gesprächs, in dem die Teilnehmer sich die Wortbälle zuwerfen.
    Worte, Sprache, auch das ein Thema Petra Gehrings. Sie sagt von sich, sie sehe es als einen lebenslangen Lernprozess an, Texte
     zu schreiben, die sprachlich auf der Höhe des eigenen Anspruchs ankommen. Gehring ist eine sehr anspruchsvolle Schreiberin,
     und ein Hauptanliegen ist es ihr, am eigenen Stil zu feilen, nie einfach etwas hinzuschreiben, sich stilistisch weiterzuentwickeln.
     Ihren Texten merkt man die Arbeit am Stilistischen an, sie nimmt ihre LeserInnen ernst, möchte sie nicht mit zweitklassiger
     Kost abspeisen.
    Petra Gehring beschäftigt sich aber auch mit anderen Aspekten von Sprache. So untersucht sie zum Beispiel das Vermögen der
     Sprache, wie eine durch körperlichen Einsatz hervorgerufene Handlung zu wirken. Als Beispiel dient ihr eine Verletzung, die
     durch Sprache verursacht wird. »Im Moment der sprachlichen Verletzung wirkt nicht die Sprache verletzend, sondern in einem
     solchen Moment fungiert die Sprache als Ding. Die fragliche Sprechhandlung verwandelt sich – auch wenn Wörter gesagt werden
     mögen – in ihrem Sinn, in der Art ihrer physischen Qualität.Sie wird zu einer physischen Handlung der Person, die spricht.« 7 Hier sind Extremsituationen angesprochen, in denen es so etwas wie einen letzten Satz gibt, auf den das Gegenüber nicht mehr
     antwortend reagieren kann, ein Satz wie ein Hieb, der sitzt. »Zwischen Autofahrern eskalierender Streit, das nackte Rechthaben,
     die verzerrten Vorhaltungen der Eifersucht, die kalte Wut des provozierten Uniformträgers, die Pfeile gegen die allerverletzlichste
     Stelle im Ehekrieg, der ultimative Punkt einer Eskalation: der allerletzte Satz, den jemand in der Abkehr herausschleudert,
     bevor er oder sie geht.« 8 In einem solchen letzten Satz demonstriert sich nicht unbedingt die Macht des Stärkeren. Er kann auch aus einem Gefühl äußersten
     Gedemütigtseins oder in der Konzentration auf das Selbstmitleid hervorgestoßen werden. »Gewollt oder ungewollt scheint dieser
     Akt die sprachliche Geste in ein anderes ihrer selbst zu verwandeln. Aus den Worten springt eine Fratze.« 9 In einem solchen Moment kann die Sprache selbst als Tat bezeichnet werden. Die Reaktion dessen, der die Sprache auf diese
     Weise »abbekommt«, ist körperlicher Natur: »vom kalten Schreck bis zur elektrisierenden Anregung reagieren wir physisch auf
     erlebte Sprache.« 10 Solche Erlebnisse kennen wir alle, zum Beispiel das Zusammenzucken unter einer Schimpftirade oder das In-die-Luft-Springen
     bei Bekanntgabe einer freudigen Nachricht. Überall in solchen Momenten wirkt Sprache direkt auf den Körper der angesprochenen
     Person.
    An diesem Beispiel wird Petra Gehrings Arbeitsmethode besonders deutlich. Es ist ein bestimmtes Phänomen, was sie beobachtet
     und was sie interessiert. Sie untersucht das Phänomen vor dem Hintergrund dessen, was andere bereits darüber gesagt haben.
     In unserem Beispiel sind esMaurice Merleau-Ponty (1908   –   1961) und Judith Butler (geb. 1956), die sich ebenfalls mit der Körperkraft von Sprache beschäftigt haben. Außerdem kennen
     wir alle aus der Alltagssprache den Begriff der verletzenden Sprache. Es kann passieren, dass man einer anderen Person den
     Vorwurf macht, durch einen bestimmten Satz oder auch nur ein Wort verletzt worden zu sein. Gehring versucht herauszufinden,
     was wir wirklich meinen, wenn wir das sagen, und sie untersucht, ob das, was Butler und Merleau-Ponty dazu sagen, das Phänomen
     ausreichend in den Blick nimmt. Beide Stoßrichtungen ihres Philosophierens werden klar: Gehring lässt sich anregen von den
     Phänomenen selbst und von Texten. Sie beobachtet, konstatiert, nimmt mit den Sinnen wahr und liest, ist eine manische Leserin.
     Was sie dann denkerisch daraus macht und was wir lesen können, ist ein Angebot für eine neue Auseinandersetzung. Es ist so,
     als würde in das Geflecht aus Bedeutungen und Sachverhalten, das bereits besteht, ein neuer Faden hineingewebt werden. Das
     betrifft all ihre

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