Denken hilft - frische Ideen für Gedächtnis und Kreativität
zu Schrank. Aber die Karte passt nicht, und passt nicht, und passt nicht. Sie kennen das: In solchen Situationen spürt man die Blicke körperlich â sogar durch ein nasses Handtuch hindurch. Nach ein paar Dutzend Versuchen taucht neben mir so ein sprechendes Muskelpaket auf. Mit einem wertvollen Tipp: »Lass doch nächstes Mal einfach den Schnürsenkel aus dem Schrank hängen.« Seitdem weià ich, warum in Umkleiden immer so viele Schnürsenkel aus den Schränken hängen.
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Offen bleibt die Frage: Warum hatte ich mir die Nummer nicht gemerkt? Vermutlich weil ich sonst immer denselben Schrank benutze! Und weil ich diesen Schrank sonst immer automatisch
 â ganz ohne Nummer â wiederfinde! Nur dieses eine blöde Mal war mein Lieblingsschrank schon besetzt. Und sofort bin ich Opfer meiner Gewohnheit geworden. Ich nenne diese Gewohnheit seitdem »Selber-Schrank-Effekt«. Und ich könnte wetten, Sie sitzen im Wartezimmer auch immer auf demselben Stuhl? Sie gehen in Ihrem Lieblingsrestaurant auch immer zum selben Tisch? Sie benutzen auf dem Weg nach Hause auch immer denselben Weg? Was verrät das über unser Gedächtnis? Unser Gedächtnis ist dafür gemacht, Orte und Wege zu erinnern. Und wenn ein Weg zum Ziel führt, dann schlagen wir ihn wieder ein. Und wieder. Und wieder. Wie eine Maus auf der Suche nach einem Stück Käse. Aber sich an Zahlen orientieren? Das ist eine komische Erfindung des modernen Menschen. Geheimzahlen, nummerierte Schränke in der Umkleide, Zimmernummern im Hotel, Platzreservierungen im ICE â dafür ist unser Gehirn eigentlich nicht gemacht.
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Zahlen merkt sich unser Gehirn nur, wenn sie eine Bedeutung haben, beziehungsweise wenn es uns gelingt, ihnen eine Bedeutung zu geben. Sieben? Was fällt Ihnen dazu ein? Zwerge, Weltwunder, Brücken? Oder vielleicht sogar »The Magical Number Seven«? Das ist der Titel einer Arbeit des Psychologen George A. Miller aus dem Jahr 1956. Darin beschreibt er, dass die Kapazität unseres Arbeitsgedächtnisses etwa sieben Einheiten umfasst. Die Zahl Sieben hat verschiedenste Bedeutungen. Wie sieht es aus mit 23? Eine Primzahl, die Zahl der Illuminaten, der Tag vor Heiligabend, eine Glückszahl? Auch hier: unterschiedlichste Bedeutungen. Meine Schranknummer war 257. Hätte ich mir merken können. Zumindest wenn ich kurz nach Bedeutungen gesucht hätte. Was fällt einem ein zur Zahl 257? 2 plus 5 ergibt 7. Beim Umkleiden stehen zwei 57-Jährige neben mir. Ein guter Freund hat am 25. 7. Geburtstag. Und die Nummer 257 ist im Liederbuch der katholischen Kirche die Hymne »GroÃer Gott wir loben Dich«. Daran kann
ich mich erinnern, weil ich als Jugendlicher immer die Frühmesse an der Orgel begleitet habe. Ganz offensichtlich: Hinter einer Schranknummer wie 257 kann mehr stecken als ein Rucksack mit Sportklamotten.
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Auch die Werbung hat die Mnemotechnik entdeckt und hämmert uns die Nummer der Auskunft mit Assoziationen in die Birne. Wie man sich die 11880 merkt? 11 ist die FuÃballmannschaft, 88 ist die Oma, und 0 steht für null Problemo. Die Auskunft, da werden Sie geholfen. Wenn Sie sich die Auskunft sparen möchten, machen Sie es wie die Auskunft selbst: Denken Sie sich lustige Geschichten aus für die Nummern, die Sie sich merken möchten. 7308221 wird zu 7-30-8-22-1. Sieben 30-jährige Herren treffen acht 22-jährige Damen, und nur eine bleibt alleine.
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Diese Zahlenassoziationen helfen vor allem dann, wenn Sie kein »externes Gedächtnis«, also nichts zum Schreiben oder zum Einspeichern dabeihaben. Zum Beispiel, wenn Sie sich beim Joggen eine Handynummer merken möchten, die Sie auf einem Zu-vermieten-Schild lesen. Typisch sind auch Situationen, in denen Sie eine Nummer im Radio hören oder im TV sehen, aber Zettel und Stift sind gerade nicht greifbar. Mir ging das neulich so, als ich in der TV-Show »The next Uri Geller« für meinen Favoriten Jan Becker stimmen wollte. In solchen Situationen hilft am besten die sogenannte phonetische Schleife: Wenn Sie eine Nummer gehört haben, lassen Sie das Gehörte in einer Endlosschleife immer wieder vor Ihrem geistigen Ohr ablaufen. Wiederholen Sie das Gehörte ohne Unterbrechung. Und zwar so lange, bis die Information sicher zu Papier gebracht ist.
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Geistiges Ohr? Richtig! Wir haben nicht nur ein geistiges Auge, wir haben auch ein geistiges Ohr.
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