Denken hilft - frische Ideen für Gedächtnis und Kreativität
Wahrscheinlichkeit ich gerade dasselbe im Kopf hatte wie mein Lehrer. Für Dasselbe-im-Kopf-Haben gab es ein Lob. Für Was-anderes-im-Kopf-Haben gab es einen Tadel. Ist das pädagogisch wertvoll? Naja, ich will mich nicht beschweren. Die Lehrer waren ja ganz nett. Aber die schönste Zeit war die Schulzeit trotzdem nicht. Denn im Grunde hat die Schule uns auf Ãbereinstimmung mit der schon vorhandenen Welt konditioniert. Das wird nirgends deutlicher als in Multiple-Choice-Tests. Wer bei solch einem Test zu den vorgegebenen Antworten eine weitere mögliche Antwort hinzufügt, macht einen Fehler. Wer sich dagegen auf die vorgegebenen Antworten begrenzt, macht es richtig. Das finde ich falsch. Die vorhandene Welt ist nur eine einzige von vielen denkbaren. Sie kann auch
anders. Vielleicht hat es mich deshalb in einen sogenannten kreativen Beruf verschlagen.
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Exakt. Einfach. Einfallsreich. So lautete das Credo der Werbeagentur Springer & Jacoby, die im Laufe der 80er-Jahre die kreativste Agentur Deutschlands wurde und für ihre genialen Ideen einen Preis nach dem anderen abstaubte. Als Kreativer bei Springer & Jacoby zu arbeiten, das musste bedeuten, das Geheimnis der Kreativität zu kennen. S&J hatte damals einen fast sektenhaften Status. Man munkelte, nichts hänge an den weiÃen Wänden, nichts stünde auf den weiÃen Tischen, und ein geheimnisvoller Pistolenföhn würde helfen, geniale Geistesblitze zu produzieren. Schon aus lauter Ehrfurcht wäre ich nie darauf gekommen, mich bei den Gurus der Werbeszene zu bewerben. Habe ich auch nicht. Es kam andersrum. Durch eine Empfehlung wurde ich zu einem Termin mit Konstantin Jacoby eingeladen. Und drei Wochen später, im September 1989, wurde ich Juniortexter in der Unit 1. Mein erster Job. Und tatsächlich: Nichts hing an den Wänden, nichts stand auf den Tischen, und die Mitarbeiter trugen als Zeichen der Zusammengehörigkeit eine Anstecknadel, die aussah wie eine Mischung aus Pistole und Föhn â eine Form, die dem Grundriss der Agentur entsprach. Natürlich war ich neugierig, das Geheimnis der Kreativität zu erfahren. Also schaute ich mich um. Aber wie gesagt: nichts an den Wänden, nichts auf den Tischen.
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Das Einzige, was zu sehen war, waren die Menschen. Sehr unterschiedliche Menschen. Und die taten auch sehr unterschiedliche Dinge. Der eine, Jean-Remy von Matt, verzog sich in seine Denkzelle und tippte auf einer mechanischen Schreibmaschine herum. Der andere, Hartwig Keuntje, mein Texter-Chef, schmiss mit Gummibällen in dem langen Flur der Unit um sich. Die nächste, Cosima Reif, baute am liebsten kleine absurde Maschinen und verarbeitete dabei Kartoffelreste. Und allen dreien
fielen dabei geniale Headlines ein. Was also tun, wenn ich auch ein guter Kreativer werden wollte? Mir eine mechanische Schreibmaschine besorgen? Mit Bällen um mich schmeiÃen? Absurde Dinge aus Kartoffeln basteln? Es gab offensichtlich nicht das eine groÃe Geheimnis, den einen sicheren Weg zum Geistesblitz. Bei S&J existierte ein Lebensraum, in dem jeder sein eigenes Geheimnis und seinen eigenen Weg entdecken konnte. In diesem Lebensraum gab es Ruhm und Ehre für gute Ideen. Für schlechte Ideen gab es einen Papierkorb, der immer ziemlich voll war. Und für gar keine Ideen gab es die Kündigung. Ganz einfach. Also wurden so lange Ideen produziert â oft bis spät in die Nacht â, bis die gute Idee gefunden war. Und gut hieÃ: richtig gut, reif für einen Preis des renommierten Art Directors Club, besser als alle anderen Ideen aller anderen Agenturen. Irgendwie sorgte dieses Prinzip dafür, dass nur solche Menschen die Probezeit überlebten, die bei jedem Briefing felsenfest an das Vorhandensein einer guten Idee glaubten. Das unterschied die Mitarbeiter von S&J von allen anderen. Sie wussten einfach, dass sie gute Ideen finden würden. Und das haben sie schlieÃlich auch â und zwar genau aus diesem Grund.
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Bei Springer & Jacoby hatte ich gelernt, wie wichtig die richtigen zehn Menschen und die richtigen hundert Quadratmeter für kreatives Denken sind. Dann kam das Studium. Hundert Menschen auf zehn Quadratmetern. Ãberfüllte Hörsäle, in denen man wenig sehen konnte. Und gleich die erste Veranstaltung hieà »Problemorientierte Einführung«, eine sich selbst erfüllende Prophezeiung. Hier wurden die Probleme ganz amtlich eingeführt. An der
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