Denken hilft - frische Ideen für Gedächtnis und Kreativität
Ideensuchen ist zur Dienstleistung geworden. Grund genug, dem Wesen und Geheimnis der guten Idee weiter auf der Spur zu bleiben.
Unser natürlicher Feind: das Gewohnheitstier
Wie Muster unser Wahrnehmen, Denken und Handeln bestimmen â bis wir sie ausmustern.
Malta im Juni 2007. In einem kleinen Hörsaal der Universität in Msida, am Institute for the Design and Development of Thinking, haben sich etwa 50 Menschen aus der ganzen Welt versammelt. Ein paar Werber aus Belgien, ein Ingenieur aus Israel, eine Soziologin aus den USA, ein Rückwärtssprecher aus Deutschland und weitere neugierige Querdenker. Vorne auf dem Podest sitzt ein älterer Herr auf einem gepolsterten Holzstuhl und kritzelt mit Markern auf einer Overheadfolie herum. Das ist nicht unbedingt das, was man am Lehrstuhl für den Master of Innovation and Creativity erwartet. Trotzdem stürzen sich die Teilnehmer am Ende der Vorlesung auf die Folien mit den Kritzeleien, die der Mann produziert hat. Jeder Folienfetzen ein Heiligtum. Kein Wunder, denn Edward de Bono ist in Sachen Kreativität so etwas wie John Wayne im Westerngenre. Eine Legende. Er hat fast 70 Bücher geschrieben, die in über 50 Sprachen übersetzt wurden. Er hat Regierungen und Unternehmen auf der ganzen Welt beraten. Er hat das laterale Denken erfunden und die berühmten Denkhüte. Seine Methoden und Techniken werden von Tausenden Trainern und Coaches rund um den Globus eingesetzt. Und jetzt sitzt er da und kurbelt an einer Folienrolle herum. Er hätte das eigentlich nicht mehr nötig. Aber Malta ist seine Heimat, und das Institut
an der Uni war eine seiner vielen Ideen. Also sitzt er da, malt auf einer Folie herum und fragt in die Runde, womit, wenn nicht mit einem ElfmeterschieÃen, ein FuÃballspiel bei Unentschieden doch noch entschieden werden könnte. So was macht ihm Freude. Denn durch eine solche Frage werden wir gezwungen, Denkmuster aufzubrechen. Edward de Bono geht davon aus, dass unser Denken ein sich selbst organisierendes System ist: Wir nehmen Dinge wahr, unsere Wahrnehmungen erzeugen Denkmuster, und unter Anwendung dieser Muster verarbeiten wir Informationen.
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Ein bisschen besorgt blinzelt er hinter seinem Overheadprojektor hervor und beschreibt, wie sehr diese Muster sich im Laufe der Zeit verfestigen und unser Denken begrenzen: Das erste bis fünfte Lebensjahr ist die Zeit des »Warum?«. Das sechste bis zehnte Lebensjahr ist die Zeit des »Warum nicht?«. Und nach dem zehnten Lebensjahr beginnt die Zeit des »Deshalb!«. Wenn wir groà sind, haben wir Antworten und finden Ursachen. Aber immer nur für die Welt, wie sie schon ist, für die Welt, die in unserem Kopf durch eine Vielzahl von Mustern repräsentiert ist. De Bono hat ein wunderbares Wort dafür, was diese Muster ausmacht: Frozen Perceptions, zu Eis erstarrte Wahrnehmungen.
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Und dann malt er mit einem schwarzen Marker sein Lieblingsbild auf die Folie: eine HauptstraÃe mit einer kleinen Abzweigung. Die Abzweigung, das ist der Weg, den wir gern übersehen. Sie steht für die Alternativen, für die anderen Möglichkeiten. Aber wie finden wir diese Abzweigung â und damit die guten Ideen? Mit einem roten Marker zieht de Bono einen fetten Strich quer über die HauptstraÃe. Wir finden die Abzweigung, indem wir uns selbst den Weg abschneiden. Indem wir unser lineares, logisches Denken absichtlich unterbrechen. Vollsperrung für das Denken in gewohnten Bahnen. Ab auf eine neue
Spur. De Bono nennt diesen Ansatz Laterales Denken. Inzwischen steht der Begriff im Oxford English Dictionary. Laterales Denken ist der Versuch, ein Problem mit scheinbar unlogischen Methoden zu lösen und dabei vorsätzlich Muster zu durchbrechen. Wenn wir also bei der nächsten WM mal wieder das Problem haben, dass ein Finalspiel unentschieden ausgeht: Was tun? Von mir aus Entscheidung durch Elfmeter, aber schieÃen können ja auch mal die Fans. Eines seiner Bücher â ein sehr empfehlenswertes â hat Edward de Bono »Serious Creativity« genannt. Der Titel sollte Sie beruhigen: Auch kreatives Rumspinnen ist eine ganz seriöse Tätigkeit.
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Die Muster, von denen de Bono spricht, begegnen uns im Alltag in unterschiedlichster Form. Oder besser: Sie sind unser Alltag. Wir verfügen über Muster, um die Marke eines Autos aus hundert Meter Entfernung zu erkennen. Wir verfügen über Muster, um die
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