Denken hilft zwar, nutzt aber nichts
Entscheidungen (wie die Gänseküken, die Lorenz als ihre Mutter akzeptierten) aufgebaut haben, in der Annahme, dass die ersten Entscheidungen klug waren? Ist das die Logik, nach der wir unseren Beruf, unseren Ehepartner, die Kleidung, die wir tragen, und unsere Frisur wählen? Waren die ersten Entscheidungen überhaupt klug? Oder waren sie zum Teil zufällige erste Prägungen, die sich verselbständigt haben?
Cogito ergo sum
– »Ich denke, also bin ich« –, heißt es bei Descartes. Aber angenommen, wir sind nicht mehr als die Summe unserer ersten, naiven, zufälligen Verhaltensweisen. Was dann?
Diese Fragen zu beantworten dürfte nicht einfach sein, aber im persönlichen Bereich können wir, was unsere irrationalen Verhaltensweisen angeht, durchaus einiges tun. Wir können anfangen, uns unsere Schwachpunkte bewusstzumachen. Angenommen, Sie wollen sich das allerneueste Handy kaufen(das mit der Drei-Megapixel-Kamera mit Achtfach-Zoom) oder sich sogar täglich eine Tasse Gourmetkaffee zum gehobenen Preis gönnen. Dann könnten Sie einen Anfang machen, indem Sie dieses Vorhaben, diese Gewohnheit hinterfragen. Was stand am Anfang? Als Nächstes könnten Sie sich fragen, welches Maß an Spaß oder Genuss Sie daraus ziehen. Ist es so viel, wie Sie erwartet haben? Könnten Sie dafür ein bisschen weniger ausgeben und das restliche Geld besser anlegen, für etwas anderes? Eigentlich sollten Sie sich angewöhnen, jedes wiederholte Verhalten bei sich selbst zu hinterfragen. Im Falle des Handys tut’s vielleicht auch ein günstigeres Modell, und Sie können den gesparten Betrag für etwas anderes verwenden. Und was den Kaffee angeht: Anstatt zu überlegen, welche Spezialität Sie sich heute gönnen, könnten Sie sich fragen, ob Sie überhaupt jeden Tag einen so teuren Kaffee trinken müssen.
Ein besonderes Augenmerk verdient auch unsere erste Entscheidung bei allen Dingen, die eine lange Reihe von Entscheidungen nach sich ziehen werden – Kleidung, Nahrung und so weiter. Es mag in solchen Fällen den Anschein haben, als ginge es nur um eine einzige Entscheidung, die keine großen Folgen nach sich zieht, aber in Wirklichkeit können die Erstentscheidungen einen derart prägenden Effekt haben, dass sie unsere späteren Entscheidungen noch jahrelang beeinflussen. Angesichts dieser langfristigen Auswirkung kommt der ersten Entscheidung eine besondere Bedeutung zu, und wir sollten ihr deshalb auch ein angemessenes Maß an Aufmerksamkeit widmen.
Sokrates sagte einst, ein ungeprüftes Leben sei nicht lebenswert. Vielleicht ist es an der Zeit, einmal die Prägungen und Anker in unserem eigenen Leben zu überprüfen. Selbst wenn sie früher vollkommen vernünftig waren – sind sie esheute auch noch? Wenn wir alte Entscheidungen überdenken, können wir uns neuen Entscheidungen – und den neuen Chancen eines neuen Tages – öffnen. Das hört sich doch ganz vernünftig an.
Bei all dem Räsonieren über Anker und Gänseküken geht es aber nicht nur um die Präferenzen von Konsumenten. Die herkömmliche Ökonomie geht davon aus, dass die Preise von Produkten auf dem Markt von zwei Kräften bestimmt werden, die zu einem Gleichgewicht finden: von der Produktion zu einem bestimmten Preis (Angebot) und den Bedürfnissen der Personen mit Kaufkraft zu einem bestimmten Preis (Nachfrage). Der Schnittpunkt, an dem sich diese beiden Kräfte treffen, bestimmt die Marktpreise.
Das ist ein bestechender Gedanke, der jedoch im Kern von der Annahme ausgeht, dass diese beiden Kräfte voneinander unabhängig sind und dass sie gemeinsam den Marktpreis bilden. Die Ergebnisse der in diesem Kapitel vorgestellten Experimente (und der Grundgedanke der willkürlichen Kohärenz selbst) stellen diese Annahmen jedoch in Frage. Erstens ist gemäß der ökonomischen Standardtheorie die Zahlungsbereitschaft der Konsumenten (also die Nachfrage) einer der beiden Inputs, die den Marktpreis bestimmen. Doch die Zahlungsbereitschaft der Verbraucher lässt sich, wie unsere Experimente gezeigt haben, ohne weiteres manipulieren, und das bedeutet, dass Verbraucher ihre Präferenzen und die Preise, die sie für verschiedene Produkte und Leistungen zu bezahlen bereit sind, in Wirklichkeit nicht sonderlich gut im Griff haben.
Zweitens lassen die hier gezeigten Manipulationen der Verankerung entgegen der Annahme der ökonomischen Standardtheorie erkennen, dass die Kräfte von Angebot und Nachfrage keineswegs voneinander unabhängig sind. In derrealen Welt erfolgt
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