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Denken hilft zwar, nutzt aber nichts

Denken hilft zwar, nutzt aber nichts

Titel: Denken hilft zwar, nutzt aber nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Ariely
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bekommen?
     
    Die Null hat eine lange Geschichte. Die Babylonier erfanden sie, die alten Griechen debattierten darüber in hochgeistigen Dialogen (wie kann etwas nichts sein?); vor 2500 Jahren verwendete der indische Wissenschaftler Pingal die Null und die Ziffer Eins, um zweistellige Zahlen zu erhalten, und sowohl bei den Maya als auch bei den Römern gehörte die Null zum Zahlensystem. Aber erst im Jahr 498 erhielt die Null ihren richtigen Stellenwert, als sich der indische Astronom Aryabhata eines Morgens im Bett aufrichtete und ausrief:
»Sthanam sthanam dasa gunam«,
was in etwa bedeutet: »Von Stelle zu Stelle der zehnfache Wert.« Damit war der Gedanke der Stellenwertnotierung geboren, und die Null kam in Umlauf: Sie breitete sich in die arabische Welt aus, wo sie zur Blüte kam, gelangte über die Iberische Halbinsel nach Europa, wurde von den Italienern ein wenig auffrisiert und überquerte schließlich den Atlantik in Richtung Neue Welt, wo die Null an einem Ort namens Silicon Valley (zusammen mit der Ziffer Eins) reichlich Beschäftigung fand.
    So viel als kurzer Bericht über die Geschichte der Null. Im Zusammenhang mit Geld ist der Begriff Null hingegen weniger erforscht. Ja, ich denke, er hat nicht einmal eine Geschichte. Trotzdem hat das Gratis! enorme Folgen. Nicht nurim Hinblick auf herabgesetzte Preise und Werbung, sondern auch darauf, wie dieses Gratis! uns hilft, Entscheidungen zu treffen, die uns und der Gesellschaft nützen.
    Wenn Gratis! ein Virus wäre oder ein subatomares Teilchen, könnte ich das Objekt unter die Linse eines Elektronenmikroskops legen, es unterschiedlich einfärben, um seine Beschaffenheit zu enthüllen, oder es irgendwie zerschneiden, um den inneren Aufbau zu analysieren. In der Verhaltensökonomie hingegen benutzen wir ein anderes Instrument – eines, das uns ermöglicht, das menschliche Verhalten in einzelne Schritte zu zerlegen und es wie in Zeitlupe in seiner Entfaltung zu untersuchen. Wie Sie inzwischen sicher schon ahnen, handelt es sich bei diesem Verfahren um das Experiment.
     
    Ich stieg mit Kristina Shampanier (einer Promovendin am MIT) ins Schokoladengeschäft ein – jedenfalls könnte man es so nennen. Wir stellten vor einem großen öffentlichen Gebäude einen Tisch auf und boten zwei Sorten Schokolade an – Lindt-Trüffel und Hershey’s Kisses. Über dem Tisch stand auf einem großen Plakat: »Eine Praline pro Kunde.« Wenn die potenziellen Kunden näher traten, konnten sie die beiden Sorten und ihren Preis sehen. *
     
    Für diejenigen unter Ihnen, die nicht zu den Schokoladenkennern gehören: Die Schokotrüffeln von Lindt gelten als besonders hervorragend – zart schmelzend und geradezu unwiderstehlich. Sie kosten in den USA pro Stück etwa 50 (Dollar-) Cent, wenn man sie lose kauft. Bei Hershey’s Kisses hingegenhandelt es sich zwar um ganz gute Pralinen, aber sie sind, seien wir ehrlich, ziemlich gewöhnlich: Hershey produziert davon täglich 80 Millionen Stück. In dem Ort Hershey in Pennsylvania haben sogar die Straßenlaternen die Form des allgegenwärtigen Hershey’s Kiss.
    Und was passierte, als die Studenten unseren Stand stürmten? Als wir den Preis für eine Lindt-Trüffel auf 15 Cent festsetzten und den für einen Hershey’s Kiss auf einen Cent, zeigte sich – für uns kaum überraschend –, dass sich unsere Kunden ziemlich rational verhielten: Sie verglichen den Preis und die Qualität der Hershey-Praline mit dem Preis und der Qualität der Lindt-Trüffel und trafen dann ihre Wahl: Etwa 73 Prozent wählten eine Trüffel und 27 Prozent einen Kiss.
    Anschließend wollten wir sehen, wie ein Gratisangebot die Situation veränderte, und boten die Lindt-Trüffel für 14 Cent und den Kiss gratis an. Würde nun ein anderes Ergebnis herauskommen? Musste ein anderes Ergebnis herauskommen? Schließlich hatten wir den Preis für beide Pralinensorten lediglich um einen Cent gesenkt.
    Und wie sich das Ergebnis veränderte! Der einfache Hershey’s Kiss erwies sich nun als der große Favorit. An die 69 Prozent unserer Kunden (im Gegensatz zu den vorherigen 27 Prozent) entschieden sich für den Gratis-Kiss, während die Lindt-Trüffel regelrecht abstürzte: Der Anteil der Kunden, die sich für sie entschieden, sank von 73 auf 31 Prozent.
    Was spielte sich hier ab? Zuallererst möchte ich sagen, dass es häufig absolut vernünftig sein kann, Gratisangebote wahrzunehmen. Wenn Sie zum Beispiel in einem Kaufhaus ein Sortiment kostenloser Sportsocken

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