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Denken hilft zwar, nutzt aber nichts

Denken hilft zwar, nutzt aber nichts

Titel: Denken hilft zwar, nutzt aber nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Ariely
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um vor seinem Ausscheiden noch schnell kräftigen Reibach zu machen – und nicht zuletzt die unsauberen wirtschaftlichen Transaktionen, deren Ausmaß alle von durchschnittlichen Gaunern verursachten Schäden in den Schatten stellt.
    Als im Jahr 2001 der Enron-Skandal ans Licht kam (und sich zeigte, dass Enron – laut
Fortune
sechs Jahre in Folge »Amerikas innovativstes Unternehmen« – diesen Spitzenplatz großenteils seiner innovativen Buchführung verdankte), kamen Nina Mazar (Professorin an der Universität Toronto), On Amir (Professor an der University of California in San Diego) und ich beim Mittagessen auf das Thema Ehrlichkeit zu sprechen. Warum werden manche Straftaten, insbesondere im Bereich der Wirtschaftskriminalität, als weniger schwerwiegend angesehen als andere, fragten wir uns – vor allem da diese Täter zwischen dem Latte macchiato um zehn und dem Mittagessen mehr finanziellen Schaden anrichten können als jeder gewöhnliche Einbrecher in seinem ganzen Leben?
    Nach einigem Hin und Her kamen wir zu dem Schluss,dass es wohl zwei Arten von Diebstahl gibt. Die eine ist zum Beispiel die, bei der zwei Gauner eine Tankstelle im Visier haben. Während sie langsam daran vorbeifahren, überlegen sie, wie viel Geld in der Kasse sein mag, wer ihnen in die Quere kommen könnte und welche Strafe sie im Fall der Fälle erwartet (abzüglich der wegen guter Führung erlassenen Haftzeit). Anhand dieser Kosten-Nutzen-Rechnung entscheiden sie, ob sie die Tankstellenkasse ausrauben oder nicht.
    Dann gibt es noch die zweite Art von Diebstahl. Sie wird von Menschen begangen, die sich im Allgemeinen als ehrlich betrachten – Männer und Frauen (bitte aufstehen), die sich bei einer Konferenz einen Stift »leihen«, bei ihrer Schadensmeldung an die Versicherung ihren Fernseher zu hoch ansetzen oder ein Essen mit Tante Nava unkorrekterweise als Geschäftsausgabe absetzen (na ja, sie hat immerhin gefragt, wie es in der Arbeit läuft).
    Wir wissen, dass es diese zweite Art von Unehrlichkeit gibt, aber wie weit ist sie verbreitet? Und wenn wir »ehrliche« Menschen in einem kontrollierten Versuch zum Betrügen zu verführen versuchten, würden sie es tun? Würden sie es dann mit ihrer Ehrlichkeit nicht so genau nehmen? Wie viel würden sie stehlen? Wir beschlossen, ein entsprechendes Experiment durchzuführen.
     
    Die Wirtschaftsfakultät in Harvard nimmt im amerikanischen Leben einen besonderen Platz ein. Am Ufer des River Charles in Cambridge, Massachusetts, gelegen, untergebracht in einem imposanten Gebäude im Kolonialstil und äußerst großzügig mit Stiftungsgeldern ausgestattet, bringt diese Hochschule die Elite der amerikanischen Wirtschaftsführer hervor. Tatsächlich werden bei den 500 laut
Fortune
größten US-Firmen rund 20 Prozent der jeweiligen drei Führungspositionen von Harvard-Absolventenbelegt. * Gab es einen Ort, der sich besser für ein kleines Experiment in Sachen Ehrlichkeit eignete? **
    Unsere Studie war relativ simpel angelegt. Wir baten eine Gruppe von Harvard-Studenten (sowohl unterer wie höherer Semester) zu einem Test mit 50 Multiple-Choice-Fragen. Die Fragen waren ähnlich wie bei standardisierten Tests (Welches ist der längste Fluss der Erde? Wer schrieb
Moby Dick?
Welches Wort beschreibt den Durchschnitt einer Reihe? Wie heißt in der griechischen Mythologie die Göttin der Liebe?). Die Studenten hatten zur Beantwortung der Fragen 15 Minuten Zeit. Anschließend wurden sie gebeten, die Antworten von ihrem Arbeitsblatt auf ein Auswertungsblatt zu übertragen und beide Blätter der Aufsichtsperson vorne zu übergeben. Diese bezahlte ihnen für jede korrekte Antwort 10 Cent. Ganz einfach.
    In einer weiteren Versuchsanordnung baten wir eine zweite Gruppe von Studenten zum gleichen Test, jedoch mit einer wichtigen Abweichung. Die Studenten in dieser Gruppe sollten den Test machen und ihre Antworten, wie die erste Gruppe auch, auf das Auswertungsblatt übertragen. Doch in ihrem Fall waren die korrekten Antworten bereits markiert. Bei jeder Frage war einer der Kreise – der neben der korrekten Antwort – grau unterlegt. Falls die Studenten auf ihrem Arbeitsblatt als den längsten Fluss der Erde den Mississippi angekreuzt hatten, sahen sie auf dem vormarkierten Auswertungsblatt, dass die korrekte Antwort »Nil« lautete.
    Nachdem sie ihre Antworten übertragen hatten, zählten sie die korrekt beantworteten Fragen zusammen, schriebendie Zahl oben auf ihr Auswertungsblatt und übergaben beide,

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