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Denken hilft zwar, nutzt aber nichts

Denken hilft zwar, nutzt aber nichts

Titel: Denken hilft zwar, nutzt aber nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Ariely
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Arbeits- und Auswertungsblatt, der Aufsichtsperson. Diese zahlte ihnen dann nach einem Blick auf die Zahl oben auf dem Auswertungsblatt (die Zahl der Fragen, die sie nach eigenen Angaben richtig beantwortet hatten) 10 Cent für jede korrekte Antwort.
    Würden die Studenten betrügen – statt ihrer falschen Antworten auf dem Auswertungsblatt die korrekten markierten ankreuzen? Wir wussten es nicht, wollten die nächste Gruppe aber auf jeden Fall noch mehr in Versuchung führen. Auch bei diesem Experiment sollten die Studenten den Test machen und ihre Antworten auf das markierte Auswertungsblatt übertragen. Diesmal allerdings sollten sie ihr ursprüngliches Arbeitsblatt zerreißen und der Aufsichtsperson lediglich das Auswertungsblatt übergeben. Mit anderen Worten, sie würden jeden Beweis für einen Betrug vernichten. Würden sie den Köder schlucken? Auch hier galt: Wir wussten es nicht.
    Beim letzten Test wollten wir die Ehrlichkeit der Studenten auf eine besonders harte Probe stellen. Dieses Mal bekamen sie die Anweisung, nicht nur ihr ursprüngliches Arbeitsblatt, sondern auch das markierte Auswertungsblatt zu zerreißen. Außerdem mussten sie dem Versuchsleiter nicht einmal sagen, wie viel sie von ihm zu bekommen hatten: Wenn sie ihre Antwortblätter vernichtet hatten, brauchten sie nur nach vorne zu gehen – wo wir ein Behältnis voller Münzen aufgestellt hatten – und sich ihren »Verdienst« herauszunehmen und konnten dann zur Tür hinausspazieren. Wer jemals eine Neigung zum Betrügen verspürte, für den war das die Gelegenheit, das perfekte Verbrechen zu begehen.
    Ja, wir führten sie in Versuchung. Wir machten es ihnen leicht, zu betrügen. Würde die Crème de la Crème der amerikanischen Jugend den Köder schlucken?
     
    Während die erste Gruppe ihre Plätze einnahm, erklärten wir die Regeln und verteilten die Testbogen. Die Studenten arbeiteten die ihnen zugestandenen 15 Minuten, übertrugen dann ihre Antworten auf das Auswertungsblatt und gaben beide Blätter bei der Aufsicht ab. Diese Studenten waren unsere Kontrollgruppe. Da bei ihnen keine korrekten Antworten markiert waren, hatten sie auch überhaupt keine Gelegenheit, zu betrügen. Im Durchschnitt beantworteten sie 32,6 der 50 Fragen korrekt.
    Was meinen Sie, wie unsere Probanden sich verhielten? Wie Sie wissen, wurden in der Kontrollgruppe durchschnittlich 32,6 Fragen korrekt beantwortet. Wie viele Fragen werden wohl die Versuchsteilnehmer in den anderen drei Gruppen – eigenen Angaben nach – korrekt beantwortet haben?
     
Gruppe 1
Kontrollgruppe
=
32,6
Gruppe 2
Eigenkontrolle
=
Gruppe 3
Eigenkontrolle + Zerreißen
=
Gruppe 4
Eigenkontrolle + Zerreißen + Geldbehältnis
=
     
    Und wie verhielt sich die zweite Gruppe? Auch diese Teilnehmer beantworteten die Fragen, doch sie konnten beim Übertragen ihrer Antworten auf das Auswertungsblatt se hen, welche Antwort korrekt war. Würden sie ihre Ehrlichkeit für zusätzliche 10 Cent pro Frage »vergessen«? Es zeigte sich, dass diese Gruppe im Durchschnitt 36,2 Fragen richtig beantwortet hatte. Waren diese Studenten klüger als die in unserer Kontrollgruppe? Das darf bezweifelt werden. Wir hatten sie vielmehr beim Schummeln erwischt.
    Und die dritte Gruppe? Diesen Probanden machten wir es noch schwerer. Sie bekamen nicht nur die korrekten Antwortenzu sehen, sondern wurden auch aufgefordert, ihre Arbeitsblätter zu vernichten. Ob sie den Köder schluckten? Ja, sie betrogen. Im Durchschnitt beantworteten sie 35,9 Fragen korrekt – mehr als die Teilnehmer in der Kontrollgruppe, aber ungefähr genauso viel wie die Teilnehmer der zweiten Gruppe (die ihre Arbeitsblätter nicht vernichteten).
    Zuletzt kamen die Studenten, die nicht nur ihre Arbeits-, sondern auch ihre Auswertungsblätter vernichten sollten – und dann in das Geldbehältnis greifen und sich nehmen konnten, was sie wollten. Wie Unschuldsengel vernichteten sie ihre Blätter, griffen in das Geldbehältnis und nahmen sich ihre Münzen heraus. Aber leider hatten die Engel keine ganz weiße Weste: Sie hatten im Durchschnitt angeblich 36,1 der 50 Fragen korrekt beantwortet – einige mehr als die 32,6 bei unserer Kontrollgruppe, aber etwa gleich viel wie die beiden anderen Gruppen, die Gelegenheit hatten, zu betrügen.
    Was haben wir bei diesem Experiment gelernt? Die erste Schlussfolgerung ist, dass viele ehrliche Menschen betrügen, wenn man ihnen die Gelegenheit dazu gibt. Und es war nicht so, dass nur ein paar faule Äpfel darunter

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