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Denken hilft zwar, nutzt aber nichts

Denken hilft zwar, nutzt aber nichts

Titel: Denken hilft zwar, nutzt aber nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Ariely
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schöner Traum war zerplatzt. Ich quälte mich mühsam wieder aus dem Anzug heraus. Noch einmal wurde Maß genommen und meine neuen Daten nach Irland geschickt, damit ich einen besser passenden Jobst-Anzug bekam.
    Mein neuer Anzug war bequemer, ansonsten aber nicht viel besser. Ich litt darin monatelang – er juckte, er schmerzte bei jeder Bewegung und riss meine empfindliche neue Haut auf, während ich mich hineinzwängte (und es dauert lange, bis neue Haut heilt, wenn sie aufreißt). Am Ende kam ich zu dem Schluss, dass dieser Anzug keinen wirklichen Nutzen hatte, zumindest nicht für mich. Die Haut an den davon bedeckten Teilen meines Körpers sah weder anders aus noch fühlte sie sich anders an als an den Stellen, die unbedeckt geblieben waren. Der Anzug hatte mir nichts gebracht als zusätzliche Qualen.
    Aus moralischer Sicht wäre es zweifelhaft, Patienten mit Verbrennungen an Versuchen teilnehmen zu lassen, um dieWirksamkeit dieses Anzugs zu überprüfen (unter Verwendung verschiedener Materialien, die wiederum unterschiedlich fest anliegen und so weiter), und noch schwieriger, solche Patienten zur Teilnahme an einem Placebotest zu bewegen. Aber es ist doch moralisch gesehen ebenso problematisch, vielen Patienten für viele Jahre eine schmerzhafte Behandlungsmethode zuzumuten, ohne einen wirklich guten Grund dafür zu haben.
    Tests mit dieser »zweiten Haut« im Vergleich zu anderen Methoden und einem Placeboanzug hätten mir zweifellos einen Teil meiner täglichen Torturen erspart. Und es hätte vielleicht auch die Forschung zu neuen Behandlungsansätzen angeregt – solchen, die tatsächlich hilfreich sind. Mein umsonst erlittenes Leid und das Leid anderer Patienten wie mir sind der wahre Preis dafür, dass solche Experimente unterlassen werden.
    Sollten wir immer jede Behandlungsmethode testen und Placeboexperimente durchführen? Medizinische und Placeboversuche führen uns stets in ein moralisches Dilemma. Der potenzielle Nutzen solcher Experimente sollte gegen die Kosten abgewogen werden, und daraus folgt, dass Placeboversuche nicht immer zu rechtfertigen sind. Aber meinem Gefühl nach führen wir nicht annähernd so viele durch, wie wir sollten.

ELF
Moral und Unredlichkeit, Teil I
     
    Warum wir unehrlich sind und was wir dagegen tun können
     
    Im Jahr 2004 belief sich der finanzielle Schaden durch Raubtaten in den Vereinigten Staaten auf 525 Millionen Dollar, die Schadenssumme der einzelnen Tat im Durchschnitt auf 1300 Dollar; das heißt, der durchschnittliche Netto-»Verdienst« bei diesen Straftaten ist relativ gering. 15 Auch der Gesamtschaden ist nicht besonders hoch, wenn man bedenkt, wie viel Arbeitskraft bei Polizei, Strafverfolgungs- und -vollzugsbehörden für die Ergreifung und Bestrafung der Verbrecher aufgewendet wird – ganz zu schweigen von der umfangreichen Berichterstattung in Zeitungen und Fernsehen, die all das nach sich zieht. Ich will natürlich nicht sagen, dass wir mit Berufsverbrechern nachsichtig sein sollten. Es sind Kriminelle, und wir müssen uns vor ihren Taten schützen.
    Doch sehen wir uns die folgenden Zahlen an: Die Schäden aus Diebstahl und Betrug am Arbeitsplatz werden auf rund 600 Milliarden Dollar jährlich geschätzt. Das ist wesentlich mehr als der finanzielle Schaden durch Raub, Einbruch und Diebstahl – auch von Fahrzeugen – zusammengenommen (etwa 16 Milliarden Dollar im Jahr 2004); es ist mehr als das, was Millionen von Berufsverbrechern in ihrem ganzen Leben zusammenrauben; und es ist fast der doppelte Marktwert von General Electric. Aber das ist noch nicht alles. Nach Berichten der Versicherungsbranche erschwindeln sich Versicherungsnehmer jedes Jahr 24 Milliarden Dollar mit überhöhtenSchadensmeldungen. Das US-Finanzministerium schätzt den Verlust an entgangenen Steuern – die Differenz zwischen dem, was die Steuerpflichtigen zahlen sollten und was sie tatsächlich zahlen – auf mittlerweile 350 Milliarden Dollar pro Jahr. Auch der Einzelhandel hat Grund zur Klage: Er verliert jedes Jahr 16 Milliarden Dollar, weil Kunden neuerworbene Kleidung mit dem Preisschild nach innen tragen und nach einer Weile gegen Erstattung des vollen Kaufpreises wieder zurückgeben.
    Man ergänze diese Auswahl mit alltäglichen Beispielen: dem Abgeordneten, der sich von seinem Lieblingslobbyisten zu Golftouren einladen lässt; dem Arzt, der sich von den Labors, mit denen er zusammenarbeitet, Provisionen zahlen lässt; dem Manager, der seine Aktienoptionen rückdatiert,

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