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Denken hilft zwar, nutzt aber nichts

Denken hilft zwar, nutzt aber nichts

Titel: Denken hilft zwar, nutzt aber nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Ariely
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Antworten zählte und ihnen dafür jeweils 50 Cent gab. Die Teilnehmer der zweiten Gruppe wurden gebeten, ihre Arbeitsblätter zu zerreißen, die Papierfetzen in ihre Taschen oder Rucksäcke zu stecken und dem Versuchsleiter einfach ihr Ergebnis mitzuteilen. So weit war dieses Experiment also ähnlich wie die Ehrlichkeitstests, die in Kapitel elf beschrieben wurden.
    Die Teilnehmer der dritten Gruppe aber erhielten eine wichtige andere Anweisung. Wie die vorige Gruppe sollten auch sie ihre Arbeitsblätter zerreißen und dem Versuchsleiter sagen, wie viele Fragen sie richtig beantwortet hatten. Doch der würde ihnen kein Bargeld geben, sondern stattdessen einen Poker-Chip pro angeblich gelöster Frage. Dann sollten die Probanden quer durch den Raum (etwa drei Meter) zu einem anderen Mitarbeiter gehen, der ihnen für jeden Chip 50 Cent geben würde.
    Ahnen Sie vielleicht schon, was wir mit dieser Versuchsanordnungbezweckten? Würde sich das Einschieben eines Poker-Chips in den Verlauf der Transaktion – ein wertloses Stück Plastik, das kein Geld war – auf die Ehrlichkeit der Studenten auswirken? Würde der Poker-Chip die Studenten veranlassen, bei der Angabe der Zahl ihrer richtigen Antworten weniger ehrlich zu sein als diejenigen, die sofort Bargeld erhielten? Und wenn ja, wie weit würden sie dabei gehen?
    Selbst wir waren von dem Ergebnis überrascht: Die Teilnehmer der ersten Gruppe (die keine Möglichkeit hatten, zu schwindeln) lösten durchschnittlich 3,5 Fragen – sie stellten unsere Kontrollgruppe dar.
    Die Teilnehmer der zweiten Gruppe, die ihre Arbeitsblätter zerrissen hatten, behaupteten, im Schnitt 6,2 Fragen richtig beantwortet zu haben. Da wir davon ausgehen können, dass die Studenten nicht einfach durch das Zerreißen ihrer Arbeitsblätter klüger geworden waren, können wir sagen, dass die 2,7 Fragen, die sie angeblich über die Kontrollgruppe hinaus gelöst hatten, gemogelt waren.
    Doch was die Unverfrorenheit des Betrugs betraf, schoss die dritte Gruppe den Vogel ab. Obwohl nicht klüger als die Teilnehmer der ersten beiden Gruppen, behaupteten sie, im Durchschnitt 9,4 Fragen gelöst zu haben – also 5,9 mehr als die Kontrollgruppe und 3,2 mehr als die zweite Gruppe.
    Das bedeutet, dass die Studenten, sofern sich die Gelegenheit bot, unter normalen Umständen um 2,7 Punkte betrogen. Angesichts derselben Gelegenheit, jedoch unter der Voraussetzung, dass sie kein echtes Geld bekommen würden, verschlimmerte sich ihr Betrug um 5,9 Punkte – also um mehr als das Doppelte. Was für ein Unterschied zwischen einem Betrug um Geld und einem Betrug um etwas, das nur indirekt mit Geld zu tun hat!
    Sollten Sie jetzt überrascht sein, bedenken Sie Folgendes.Von den 2000 Teilnehmern in unseren Ehrlichkeitstests (beschrieben in Kapitel elf) behaupteten nur vier, alle Probleme gelöst zu haben. Mit anderen Worten, die Rate des »totalen Betrugs« betrug zwei pro tausend. *
    Bei dem Experiment jedoch, bei dem wir bei einer Gruppe eine Ersatzwährung einschoben (den Poker-Chip), schummelten 24 der 450 Teilnehmer voll und ganz. Wie viele dieser »extremen Betrüger« gehörten der Gruppe an, die Geld erhielt, wie viele der Gruppe, die zunächst Chips erhielt? Alle gehörten der letzten Gruppe an (24 von 150 Studenten betrogen hier voll und ganz, was einem Verhältnis von etwa 160 zu 1000 Teilnehmern entspricht). Das bedeutet, dass die Chips die Probanden nicht nur von moralischen Hemmungen »befreit« hatten, sondern gar nicht wenige von ihnen in einem Maß, dass sie schummelten, wie es nur eben ging.
    Dieses Betrugsniveau ist zweifellos schlimm, aber es hätte schlimmer sein können. Vergessen wir nicht, dass die Poker-Chips in unserem Experiment binnen Sekunden in Geld umgewechselt wurden. Wie hoch wäre die Betrugsrate wohl gewesen, wenn dies ein paar Tage, Wochen oder Monate gedauert hätte (wie beispielsweise bei einer Aktienoption)? Hätten dann noch mehr Teilnehmer betrogen und in höherem Maße?
     
    Wir wissen jetzt, dass die Menschen, sobald sie die Gelegenheit bekommen, betrügen. Doch wirklich seltsam ist, dass die meisten von uns das nicht voraussehen. Als wir Studenten beieinem anderen Experiment fragten, wer ihrer Meinung nach eher zum Betrug neige – diejenigen, die Geld, oder diejenigen, die Spielmarken erhielten –, meinten sie durchweg, die Betrugsrate sei in beiden Fällen dieselbe. Schließlich stünden die Spielmarken ja für richtiges Geld – und sie würden binnen Sekunden in Bargeld

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