Denken Sie nicht an einen blauen Elefanten!
Lesung zu mir und erzählte mir von sehr persönlichen Problemen. Am Ende ihrer
Erörterung fragte sie mich, was sie tun solle. Da es um ernsthafte Schwierigkeiten ging, war mir bewusst, dass ich in diesem
Moment große Verantwortung trug. Ich würde sie schließlich nicht einfach stehenlassen können, ohne mich zu äußern – hatte
aber keinen blassen Schimmer, was ich ihr in fünf Minuten am Ende einer Veranstaltung dazu hätte sagen sollen. Ich stellte
also einfach eine Gegenfrage: «Angenommen, Sie wüssten die Lösung für diese Situation – was würden Sie dann tun?» Die Dame
schaute mich kurz an, begann strahlend zu lächeln und bedankte sich herzlich. Ich hatte keine Ahnung, was ihr bei meiner Bitte
eingefallen war. Sie schickte mir allerdings ein paar Wochen später eine E-Mail und bedankte sich. Das Irre dabei: Ich hatte die Lösung definitiv nicht gefunden – das hatte sie selbst erreicht. Meine Worte
waren nur der Katalysator ihrer Gedanken. Sie konnte die Situation mit einem neuen Blick betrachten, und schon war die Lösung
da. Veränderung ist nützlich, und Neues bringt Neues hervor. Schon Konfuzius sagte: «Nur der erhabene Weise und der unwissende
Narr verändern sich nicht.»
Was man durch das Verlassen der persönlichen Denkbahnen erreichen kann, zeigt folgende Aufgabe: Sie besteht darin, sämtliche
Punkte durch vier gerade und ununterbrochene Linien miteinander zu verbinden, die untereinander ebenfalls verbunden sein müssen.
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Das Finden der Lösung ist das Entdecken des Eis des Kolumbus: Sie liegt darin, das Kästchen, welches mit dem englischen Wort
«Box» bezeichnet wird, zu verlassen.
Es geht darum, anders zu denken! Aus den selbstgemachten Grenzen herauszugehen – den Frame zu ändern und seine mentalen Möglichkeiten
zu erweitern: «To think outside the box.»
Ich habe lange gezögert, dieses Puzzle in unser Buch aufzunehmen, denn es ist weiß Gott nicht neu und zwischenzeitlich auch
sehr bekannt. Ich hatte Sorge, dass Sie dieses Buch in der Buchhandlung durchblättern, dabei das Puzzle erspähen und sich
dann denken: «Ach, das kenne ich ja schon …», und es gleich wieder weglegen. Die Tatsache, dass Sie diese Zeilen gerade lesen, heißt weiterhin, dass Sie sich durch
diese olle Kamelle nicht haben abschrecken lassen – also kommt die Nummer doch ins Buch. Ich sage Ihnen nämlich: «Ja, das
Puzzle ist alt – hier sehen Sie aber neue Variationen davon.»
|173| Der genaue Ursprung der Formel «Think outside the box» lässt sich nicht ermitteln. Der Managementberater Mike Vance behauptet,
dass der Walt-Disney-Konzern das Nine-Dot-Puzzle intern zum Training für seine Mitarbeiter benutzt habe und dass es von dort
aus in Managementtrainings Einzug gehalten hat. Vor allem in den achtziger Jahren wurde es von verschiedenen Trainern benutzt,
unter anderem von Martin Kihn. Dabei wurde irgendwann der Ausdruck «To think outside the box» geprägt. Die Aufgabe selbst
ist sehr viel älter. Sie wurde bereits 1914 in der «Cyclopedia of 5000 Puzzles, Tricks and Conundrums» von Sam Loyd veröffentlicht. In den alten Büchern ist die oben gezeigte Lösung zu finden.
Ich habe mir an dieser Stelle weitere Gedanken gemacht und überlegt, ob es noch andere Möglichkeiten geben könnte. Mit vier
Strichen ist mir keine eingefallen – aber mit drei:
Schließlich habe ich mit Freunden über dem Puzzle gesessen, und uns sind sogar Resultate für nur eine einzige gerade Linie
eingefallen: Schneiden Sie die Punkte aus und kleben Sie sie hintereinander auf ein Blatt – dann können Sie alle mit einem
einzigen Strich verbinden. Es hat ja schließlich keiner gesagt, dass das verboten sei.
Oder: Kleben Sie das Bild der neun Punkte auf einen Ball. Jetzt können Sie um den Ball eine große Spirale malen und haben
alle Punkte miteinander verbunden. Falls Ihnen das zu umständlich ist, ginge auch Folgendes:
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Sie sehen: Alles kann passieren, wenn man die Grenzen einfach ignoriert und über den Tellerrand blickt. Wovon uns selbstgemachte
Einengungen abhalten können, zeigt auch der Versuch des herausragenden britischen Künstlers Derren Brown. Er legte einen Geldbeutel
auf einer belebten Einkaufsstraße auf den Boden. Zuvor hatte er einige Geldscheine so arrangiert, dass sie ein klein wenig
aus dem Portemonnaie herausschauten. Jetzt sein Trick: Er malte um den Geldbeutel auf dem Boden einen dicken Kreidekreis –
so als hätte
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