Denken Sie nicht an einen blauen Elefanten!
bei Monterey, ein Gesetz, das den Menschen verbietet, hohe Absätze zu tragen.
Natürlich hält sich niemand daran. Das ist letztlich auch nicht der Sinn des Gesetzes. Der besteht nur darin, sich gegen eventuelle
Klagen abzusichern, denn dort bestehen die Beläge der Hauptstraßen aus Pflastersteinen. Falls jemand mit seinen hochhackigen
Schuhen umknickt und sich dabei den Knöchel verletzt, macht das entsprechende Gesetz es demjenigen unmöglich, die Stadt zu
verklagen. Das war nämlich in der Vergangenheit häufig passiert.
Was geschieht nun, wenn ein Arzt seinem Patienten genauestens ausmalt, was während der Behandlung so alles schiefgehen kann?
Am Ende muss dieser ein Papier unterschreiben, welches besagt, dass er über alle Eventualitäten aufgeklärt wurde. Nichts spricht
dagegen zu wissen, was alles eintreten kann – wenn der Arzt seine Aufklärungspflicht aber zu weit treibt, kann das furchtbare
Auswirkungen haben.
Haben Sie schon mal einen Beipackzettel von einem scheinbar harmlosen Hustensaft gelesen? Da hören Sie lieber gleich auf zu
husten.
|183| Die Wirkung von Packungsbeilagen bei Medikamenten wird momentan wissenschaftlich untersucht. Prof. Dr. Winfried Rief, Leiter der AG Klinische Psychologie an der Universität Marburg, und seine Kollegen werteten hierzu 143 Studien mit fast 13 000 Patienten aus. In den Tests bekamen Patienten zwei Placebos als Antidepressiva verabreicht. Die Teilnehmer wussten, dass eines
der beiden echten Medikamente mehr Nebenwirkungen hat als das andere. Das Ergebnis: Die Nebenwirkungen traten auch bei der
Einnahme der Placebos genau in dem Verhältnis auf, wie es beim echten Medikament zu erwarten gewesen wäre. Zum Beispiel klagten
die Testpersonen bei einem Medikament dreimal häufiger über Nebenwirkungen wie Mundtrockenheit – dabei hatten sie überhaupt
keine Wirkstoffe bekommen.
Knapp 5 Prozent aller Testpersonen klagen nach Verabreichung von Placebos über die beschriebenen Nebenwirkungen. Die Zahl nimmt noch
zu, sobald die Testpersonen von anderen Teilnehmern erfahren, welche Symptome durch denselben Test bei ihnen eingetreten sind.
Damit sind wir bei einem extrem spannenden und noch recht unbekannten Phänomen des Denkens angelangt: dem Nocebo. Den Placeboeffekt
kennen Sie alle. Die Kügelchen mit dem blauen Punkt auf Seite 22 zum Beispiel. (Sorry, liebe Tochter, aber ich denke, wenn
du diese Zeilen liest, glaubst du sowieso nicht mehr an deren Wirkung. Den Weihnachtsmann gibt es übrigens auch nicht, er
ist eine Erfindung von Coca-Cola. Den Nikolaus gab es dagegen schon.) Und den Noceboeffekt? Schon davon gehört?
Das Paradebeispiel aus der Noceboforschung ist der Fall des damals 2 6-jährigen Derek Adams. Nachdem seine Freundin mit ihm Schluss gemacht hatte, wollte er sich mit einer Überdosis eines Antidepressivums
das Leben nehmen. Er schluckte 29 Tabletten und bekam sofort Todesangst. Sein Blutdruck sackte in den Keller. In der Klinik gelang es den Ärzten nicht, seinen
Blutdruck zu stabilisieren, trotz Infusionen. Glücklicherweise |184| fanden die Spezialisten heraus, dass Adams die Kapseln im Rahmen einer Medikamenten-Blindstudie erhalten hatte, wie ich sie
gerade beschrieben habe. Dabei ist es üblich, zwei Gruppen zu bilden: Eine bekommt das echte Medikament, eine Kontrollgruppe
lediglich wirkungslose Zuckerpillen. Die Teilnehmer wissen natürlich nicht, zu welcher Gruppe sie gehören. Deshalb spricht
man von Blindstudie. Die behandelnden Ärzte sind übrigens auch nicht im Bilde, wer was bekommen hat, damit sie objektiv urteilen
und unvoreingenommen handeln können. Adams gehörte zur Placebogruppe. Nachdem die Ärzte ihn informiert hatten, dass er kein
echtes Medikament geschluckt hatte, verschwanden seine Beschwerden auf der Stelle. Er fühlte sich wieder gesund. Kein Wunder:
Er war körperlich auch nie krank gewesen. Alles war reine Kopfsache. Diesen gegenteiligen Placeboeffekt, bei dem ein Scheinmedikament
krank macht statt gesund, nennt man Nocebo (abgeleitet vom lateinischen «nocere»: «schaden»).
Der Schuss kann also genauso gut nach hinten losgehen: Glaubenssätze vermögen nicht nur zu heilen, sondern auch krank zu machen
oder sogar zu töten. Und das alles nur durch die Kraft unserer Gedanken. Überzeugungen wirken sich nachweislich auf unseren
Körper aus. Das haben Sie bereits gesehen, als ich Ihnen erzählte, wie durch gezielte Suggestionen der Puls einer
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