Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform]
gewiß viele tränenreiche Nächte gebracht hatte, verschwieg sie nicht, wenn sie dieses Ereignis auch nur verschleiert andeutete (II, S. 172 mit Anm. 293). Wahrheit gegen sich selbst und gegen andere, das
) Karl Alt, Studien zur Entstehungsgeschichte von Goethes Dichtung und Wahrheit. München 1898, S. 80ff.
^) Vgl- Josef Bindtner in seiner Neuausgabe von Castellis Me-moiren, I. (München 1914), Einleitung, S. Vf.
war der Grundzug ihres Wesens, daher sie auch Bettinas autobiographischen Briefroman „Goethes Briefwechsel mit einem Kinde" (BerHn 1835), ^^^ ^^ den Traditionen von Goethes „Dichtung und Wahr-heit" steht, in einem Aufsatze ablehnte (II, S. 603).
Die genaue Nachprüfung aller Angaben der Pichler lieferte den Beweis, daß ihre Wahrheitsbeteuerungen echt sind und auch in den „Denkwürdigkeiten" ihre Wahrheitsliebe die Probe bestand. Was sie niederschrieb, das konnte die ernste Kritik im großen und ganzen nur bestätigen, wie es die dieser Ausgabe beigegebenen Er-läuterungen auf Schritt und Tritt zeigen. Daß aber bei einer solchen Arbeit, wie es die ,,Denkwürdigkeiten" sind, die einen Zeitraum von 68 Jahren umfassen, die vor- und rückwärts schauen und auch die Nebendinge streifen, Fehler unterlaufen müssen, das wird nicht ver-wundern. Kleinigkeiten wurden unrichtig eingereiht, falsche Gedankenverbindungen unterliefen, aber, das sei gleich vorweg betont, dies alles betrifft nur Nebendinge, nicht Ereignisse, die in Pichlers Leben etwa eine Haupt-rolle spielten.
Wenn man in Goethes „Wahrheit und Dichtung" eine Reihe chronologischer Fehler findet, welche die Ent-stehungszeit seiner Werke betreffen (Werthers Leiden, Götz, Mahomet u. a.)^) und auf Gedächtnistäuschung beruhen, so können wir dem in Pichlers „Denkwürdig-keiten" nur einen Fall zur Seite stellen. Es ist die Rück-versetzung ihrer Novelle „Der schwarze Fritz" ins Jahr i8i6(II, S. 88),wobei es aberimmerhinmöglich wäre, daß K. Pichler hier bewußt eine Verschiebung vornahm, um Grillparzers Einfluß zu verdecken ( II, S. 465: 166).
^) Vgl. Heinrich Düntzer, Goethe-Jahrbuch I (Frankfurt a. M. 1880), S. i4off.; K. Alt, a. a. O., S. jgf.
Eine Reihe von Verstößen können Karoline Pichler überhaupt nicht zur Last gelegt werden. Vor allem ge-hören hieher einige Unrichtigkeiten i) im Leben ihrer Ahnen väter- und mütterlicherseits, ihres Vaters, ihrer Mutter und ihres Bruders Frank Xaver, die sie im guten Glauben an die Zuverlässigkeit!der Berichte ihrer Mut-ter, archivalische Studien konnte und wollte sie ja nicht betreiben, niedergeschrieben hat. Letzterer verdanken auch einige falsche Angaben über die Kaiserin Maria Theresia (I, S. 444: 38f,), über Mesmer (I, S. 448: 64) und über die Erzherzogin Isabella (I, S. 478: 238f.) ihre Entstehung, ebenso ist einiges Zweifelhafte aus dem Leben der Kaiserin Maria Theresia (I, S.442: 26: 27; 456: iio) und des Kaisers Josef IL (I, S. 477: 228,478: 235) auf die Erzählungen der Mutter zurückzuführen. Eine Reihe anderer Fehler erklärt sich daraus, daß Ka-roline Pichler eben das, was man zu ihrer Zeit allgemein glaubte, ohne weitere Prüfung niederschrieb; erst einer späteren Zeit war es vorbehalten, die Unrichtigkeit die-ser Dinge, die sich öfter auf Klatsch gründeten, nachzu-weisen. Dies gilt von der Teilnahme des Kronprinzen Josef am Preß burger Reichstag (1741; I, S.442: 25), vom Zusammentreffen zwischen Kaiser Josef IL und Kaiserin Katharina von Rußland (I, S. 471: 198) und fünf weiteren Stellen 2),
Alle übrigen Irrtümer rühren von Karoline Pichler selbst her. Von vornherein wird man als uneigent-liche Fehler, da sie für den Gang der Erzählung voll-ständig gleichgültig sind, die falsch wiedergegebenen
^) Denkwürdigkeiten, I, S. 437: 3, 439: 7, 440: 10: 12: 14, 442: 28,456: 105. " ■ ■ • •
2) Denkwürdigkeiten, I, S. 509: 318, 583: 528, 609f.: 600. — II, S. 416: 17, 487: 227.
Zitate (obenS.LVII) ausschalten. Diesen schließen sich, als in dieselbe Gruppe gehörig, einige nicht nachweis-bare Stellen, deren Urheber sie aber anführte, an^). Nur scheinbare Fehler liegen vor, wenn Pichler Personen, die sie kennen lernte, Titel beilegte, die diesen später wirk-Hch zukamen 2). Nicht sonderhch schwer wird man auch drei unrichtig wiedergegebene Namen, die sie verhörte und durch ähnlich klingende ersetzte 3), die dreimalige Verwechslung von Buchverfassern^) und die unrichtige Ansetzung eines Gesetzes 5) beurteilen, während man zwei weitere Stellen^)
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