Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform]

Titel: Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: 1769-1843 Caroline Pichler , 1881-1925 Emil Karl Blümml
Vom Netzwerk:
Schloßruine ähnlicher sah als einem Wohnhause in Wien. Doch der Zimmer waren viel, sie waren hoch, groß und stattlich, und damals hatte man von vielen Bequemlichkeiten und Bedürfnissen, die jetzt in jeder Wohnung gefordert werden, keinen Begriff. Auch w-aren die Menschen stärker und ge-sünder. Luftzug, kalte Gänge, die zu passieren waren, Fenster oder Türen, die nicht allzu wohl schlössen, hier und da eine feuchte Wand usw. wurden nicht ge-achtet und, weil sie keinen schädlichen Einfluß hatten, kaum bemerkt. Ich weiß, daß meine Eltern ganz zu-frieden mit ihrer Wohnung waren. Die großen Zim-mer, welche Sälen glichen, boten ihnen ein gewünsch-tes Lokal für die Bildersammlung meines Großvaters und für die zahlreichen Gesellschaften, welche sich in unserm Hause zu versammeln anfingen. Hier wurde ein Theater errichtet, W'orauf wir Kinder kleine fran-zösische Stücke: Zeneide ou la fee und L'isle deserte^^), nebst einer kleinen deutschen Idylle aufführten, welche

    Josef Anton Steffann Anonyme Silhouette — k. k. Fidel-Commiß-Bibliothek, Wien
    A

    Herr von Ratschky (wenn ich nicht irre) nach dem Programm des niedlichen Noverreschen Ballettes: . Blanc et rose geschrieben <^3). In allen diesen Stücken wurden mir die muntern, mutwilligen Rollen zugeteilt; — es war mir damals nicht möglich, tiefe oder warme Empfindung zu zeigen, so wenig als später, als wir dreizehn, vierzehn Jahre darauf ebenfalls diese Art ge-selliger Unterhaltung versuchten.
    Auch große Musiken wurden gegeben, und ob-wohl ich ein ganz winziges Geschöpf von etwa 7—8 Jahren war, ließ mein Vater mich doch kleine Kon-zerte, die mein Klaviermeister Steffann eigens für mich komponierte, mit vollem Orchester produzieren. Na-türlich wurde das Kind, die Tochter vom Hause, be-klatscht, belobt, bewundert, und ich hielt mich bald für eine bedeutende Künstlerin.
    Um diese Zeit erregte eine Erscheinung, welche sich auch später, und in unsern Tagen oft wiederholt hat, das erstemal ungeheures Aufsehen in Wien. Es war dies der Magnetismus oder eigenthch Mesmerismus; denn Dr. Mesmer«^) war es, der, damals ein schöner, kräftiger, junger Mann (die meisten Magnetiseure, die ich kennen gelernt, vereinten diese Eigenschaften) seine Kunst durch die Wiederherstellung des Augenlichts bei dem blinden Fräulein von Paradis zeigen wollte. Fräu-lein Therese von Paradis war damals ein Mädchen von 17—18 Jahren, nicht hübsch, aber voll Geist, Herzens-güte und Talent, besonders für Musik, was denn, mit ihrem Unglück zusammengenommen, ihr eine sehr an-ziehende Persönlichkeit gab, und ihr auch noch in späte-ren Jahren die Achtung und Liebe aller derjenigen er-warb, welche zu dem engeren Kreise ihrer Freunde ge-hörten, und unter welche auch ich mich zählen durfte ^^).
    -<9 ■ . .
    \ Damals war ich ein Kind, und auf keine Weise
    mrer Bemerkung wert; auch lernte ich sie erst später, als jene Geschichten schon vorüber waren, persönlich kennen ^^); aber ich erinnere mich wohl der überaus leb-haften Debatten, welche jeden Abend im Zirkel meiner Eltern, wo sich viele geistreiche, gelehrte Männer und gebildete Frauen versammelten, über diesen Gegen-stand gehalten wurden. Die Gesellschaft teilte sich in Gläubige und Ungläubige. Zu den ersten gehörten hauptsächlich die Landsleute Mesmers (Schwaben) und jene Personen, welche, damals wie jetzt, ihrer Phanta-sie gern viel Spielraum gönnten, und sich lieber von dem Neuen und Ungewöhnlichen fortreißen ließen, als es untersuchten und prüften. Zu den zweiten zählte man viele gebildete Personen und einige Gelehrte und Professoren, namentlich von Well^^) und Jacquin®^ (Vater; der Sohn, der später rühmlich in dessen Fuß-stapfen trat, war damals ein Knabe, nur um ein paar Jahre älter als ich), und meine Eltern. Vor allen erklärte sich meine Mutter, deren scharfsichtiger Geist so wie ihre Achtung vor der Wahrheit sie schon a priori je-dem Unerklärlichen, Geheimnisvollen abgeneigt mach-ten, stets laut dagegen, und wollte diese Heilung, welche die andere Partei als schon entschieden annahm, nicht eher als möglich zugeben, bis sie nicht selbst sich überzeugt hätte, daß das Fräulein sehe. Sie fuhr also mit einem Anhänger der glaubenden Partei selbst in die Gartenwohnung, in welcher damals die Familie Paradis lebte, und Mesmer, der ebenfalls daselbst wohnte, noch verschiedene andere Kranke in der Kur hatte®^). Mein Vater begab sich an einem andern Tage dahin. Diese magnetische

Weitere Kostenlose Bücher