Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform]
der Musik hatten vorziehen lassen.
Ich bekam auch Unterricht im Zeichnen, aber hier ar die Wahl meines Lehrers nicht glücklich. Der Mann war unstreitig sehr geschickt in seinem Fache, welches Baukunst und Blumenzeichnung war, beides aber, besonders das erste, sprach mich ganz und gar nicht an. Dieses Handhaben des Zirkels und Lineals,
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diese Unausweichbarkeit der Formen, diese Beschrän-kung aller Phantasie und Willkür war meinem überaus unsteten, lebhaften Wesen entgegen. Besser freuten mich die Blumen; hier war der Erfindung, der Freiheit zu ändern, doch einiger Raum gegönnt; aber mich hätte die Landschaftszeichnung am meisten angezogen, und diese verstand mein Lehrer nicht, und die Anlei-tung, welche er mir nach Büchern geben wollte, schlug nicht an; denn sie war nicht lebendig und wahr.
Späterhin wurde es mir klar, warum dieser Unter-richt und dieser Meister gewählt worden waren. — Meine Eltern und einige verständige Freunde derselben, denen meine zweckmäßige Ausbildung am Herzen lag, fanden, daß mein allzu lebhafter und unsteter Geist, sowie meine Phantasie, welche schon die Schwingen zu regen begann, des Zaums und Gegengewichts einer ernsten, zu gründlichem Denken und anhaltender Auf-merksamkeit führenden Beschäftigung bedürfe. Jener Lehrer war zugleich auch Professor der Mathematik. Er sollte mich nebst dem Zeichnen nach seiner Art auch Geometrie lehren; — nicht damit ich einst Mathe-matik verstehen und damit prunken könne, sondern da-mit ich richtig denken, schließen und die schwärmende Einbildungskraft zügeln lerne. Daß dieser Unterricht nicht nach meinem Geschmacke war, wird man 'nach dem Vorhergehenden wohl leicht ermessen; indessen war er mir doch heilsam, und erleichterte mir später-hin das Begreifen, sowie das Durchdringen und Ord-nen manches schwerer verständhchen Buches oder Vortrags.
Es wird hier pasjiend sein, etwas von den Freunden, welche das Haus meiner Eltern besuchten, sowie von der Innern Einrichtung dieses Hauses und seinen
äußeren Verhältnissen zu sagen, weil alles dies unmerk-lichen, aber steten und daher bedeutenden Einfluß auf die Bildung und Richtung meines Innern hatte.
Meines Vaters ausgezeichnete Geistesgaben, seine strenge Redlichkeit, sein Eifer, sein unermüdeter Fleiß hatten bald nach seiner Verheiratung die Auf-merksamkeit der Monarchin auf den Gemahl ihrer Vor-leserin, der zugleich einer der tüchtigsten Beamten war, gelenkt. Sie erhob ihn zur Stelle eines Hofrates und geheimen Referendars, schenkte ihm viel Ver-trauen, sah ihn oft, ließ sich von ihm in Privataudienzen wichtige Dinge vortragen und hörte seine Meinung, seinen Rat, zuweilen auch, wenn es die Umstände ge-boten, seinen Widerspruch mit Zutrauen und Geduld ^'). Noch besitzen wir in unserer Familie einen Schatz von einzelnen Blättern, auf welchen von meines Vaters Hand Vorträge, Anfragen, Gutachten geschrieben sind, wie er sie der Monarchin vorlegen mußte und auf welche sie dann eigenhändig eine Antwort, Entschei-dung, Entschließung usw. schrieb ^^). Sie stellen ein Verhältnis des Staatsbeamten ,zu seiner Monarchin, und zugleich des innigstergebenen Dieners und Freun-des zu seiner huldreichen Fürstin dar, das ebenso würdig als zart, ebenso rührend als erhebend ist und wovon ich im Verlauf einige Proben geben werde, welche gewiß dazu beitragen, den Charakter der großen Maria Theresia in seinem schönsten Lichte zu zeigen.
Diese Gunst der Monarchin verbreitete einen be-deutenden Glanz über unser Haus, welches durch die (für jene Zeit) beträchtliche Besoldung"^) eines kaiser-lichen Hofrates und das eigene Vermögen meines Vaters auf einem sehr hübschen Fuß eingerichtet war. Da-mals genossen die kaiserlichen Beamten, welche bei
Hofstcllcn dienten, noch der sehr wichtigen Wohltat der freien oder Hof quartiere''*'). So wie mein Vater also Hofrat ward, konnte er auch Anspruch auf eine freie Wohnung machen, da ihm ohnedies die in seinem eigenen oder seiner Mutter Haus „im tiefen Graben" zu klein geworden war. Es war wahrscheinlich 1775 oder 1776, daß wir die Wohnung, in der meine Ge-schwister und ich geboren worden, gegen eine statt-lichere und viel geräumigere im Hause zum großen Christoph^^) vertauschten, welches jetzt freilich ein ganz anderes Ansehen hat als damals, wo es, nur einen Stock hoch, mit eisernen Gittern vor allen Fen-stern, einem hölzernen Kommunikationsgang im Hofe, einer freien, unbedeckten Treppe usw. im Äußern und Innern einer alten
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