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Denn am Sabbat sollst du ruhen

Denn am Sabbat sollst du ruhen

Titel: Denn am Sabbat sollst du ruhen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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Verhör nicht die alleinige Verantwortung. Man muß ja auch die Möglichkeit in Betracht ziehen, daß der Mann unschuldig ist. Wegen einer Information zerstört man einem Menschen nicht sein Leben. Wir brauchen einen Durchsuchungsbefehl, um seine Schuhe mit dem Abdruck zu vergleichen, wir brauchen eine Gegenüberstellung mit der Angestellten von diesem Seligman. Da kommt einiges auf Sie zu! Geben Sie mir ein paar Stunden, dann können Sie heute Abend anfangen. Und nicht hier! Haben Sie gehört? Diskret, damit niemand etwas erfährt.« Michael nickte und sagte, daß er warte, bis er seine ausdrückliche Erlaubnis erhalte.
    Es dauerte einige Stunden, bis alles Erforderliche angeordnet war. Erst um sechs Uhr abends teilte Schorr Michael mit, daß er sich nicht unterstehen solle, das Gebäude zu verlassen, es sei denn, um sich am nächsten Kiosk einige Schachteln Noblesse zu besorgen. Der Verdächtige sei gerade zum Verhör festgenommen worden.
    Schorr hatte sich um alles gekümmert, auch um die Woh nung in der Palmachstraße, die sie bei derartigen Fällen benutzten. Rafi, der an der Festnahme beteiligt war, er zählte Michael am selben Abend von Alons Frau, von ihrer schockartigen Reaktion. Sie bat um Zeit, um die Kinder bis zum Ende der Durchsuchung aus dem Haus zu schaffen, und wollte gar nicht wissen, worum es ging. Sie stellte nur eine Frage, auf die man ihr nicht antwortete. Die Festnahme war außerhalb des Hauses erfolgt, als der Oberst vom Dienst kam. Er protestierte, aber sie teilten ihm mit, daß der Generalstabschef von der Verhaftung wisse; wenn ihm Diskretion wichtig sei, verhalte er sich besser ruhig.
     
    Professor Brandstädter aus dem zweiten Stock des Hauses in der Palmachstraße nickte dem sympathischen jungen Mann zu. Er kannte ihn, obwohl sie sich nur selten im Treppenhaus begegneten. Er mochte ihn gern. Der junge Mann, ein Ange stellter des Verteidigungsministeriums, wie man ihm, Brand städter, erzählt hatte, bezahlte die Miete an die Hausverwaltung pünktlich, und seitdem er die Wohnung gemietet hatte, erfüllten auch keine Studentenpartys mehr das Haus mit Lärm. Jetzt stieg der junge Mann mit einer kleinen Gruppe Männer und einer Frau zur Wohnung hinauf, und der Profes sor versicherte seiner Frau, daß »sie auf dem Weg zu einer Arbeitssitzung« seien. »Unter ihnen war auch ein sehr hoher Offizier«, sagte er mit feierlicher Miene und warnte sie vor Geklatsche mit den Nachbarinnen. »Es geht um die Sicherheit des Staates«, erinnerte er sie.
    Frau Brandstädter erwartete kaum noch etwas vom Le ben, und es kam ihr gar nicht in den Sinn, mit den Nachbarin nen zu klatschen, das tat sie nie. Sie widersprach der Mahnung nicht, wie sie vielem nicht widersprach, was ihr Mann zu sagen pflegte. Nachts aber, wenn sie nicht einschlafen konnte und mit ihren Wanderungen zwischen Küche und Salon begann und versuchte, die Stimmen zu vergessen, die sie seit ihrem zwanzigsten Lebensjahr verfolgten, hörte sie plötzlich die Stimmen aus der Wohnung über ihnen wie ein Echo ihrer schrecklichen Erinnerungen an Berlin. Weinen, Schreie, Fußstampfen – manchmal von Frauen, manchmal von Männern. Zuweilen dachte sie, sie bilde sich die Stimmen nur ein, aber sie wußte, daß die Gestalten, die sie im Treppenhaus sah, wirklich waren. Und sie wußte, daß der junge Mann, der die Miete so pünktlich bezahlte, ein böser Mann war, der nur wie ein Jude aussah. Seitdem er im Haus wohnte, ging sie kaum noch auf die Straße.
    Durch den Türspion sah sie – gleich nachdem ihr Mann mit dem Mülleimer hinuntergegangen war – die Gruppe, die hinaufging. Es waren zwei junge Männer, der Mieter und ein Mädchen. Zwischen dem Mädchen und den jungen Leuten ging ein Mann in Militäruniform, aber Frau Brandstädter wußte, daß sie nicht echt war. Nur eins verwirrte sie: Der Mann in Uniform wirkte so unglücklich, gebeugt ging er zwischen den beiden jungen Männern, und er strahlte nicht, wie es sich gehörte, Autorität aus. Später dann sah sie den hoch gewachsenen Mann, der ihren Nachbarn manchmal besuchen kam. Vielleicht, dachte sie anfangs, war er ein Verwandter, denn er kam niemals mit der Gruppe. Doch als sie über alles, was sie gesehen hatte, nachdachte, wurde ihr klar, daß er immer erst erschien, wenn die Gruppe bereits anwesend war, wenn man bereits hörte, wie die Möbel verschoben wurden. Dann traf er ein, wie die Überschwemmung nach der Pest, dachte sie immer. Er machte ihr mehr Angst als die anderen, weil er

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