Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Denn am Sabbat sollst du ruhen

Denn am Sabbat sollst du ruhen

Titel: Denn am Sabbat sollst du ruhen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
Vom Netzwerk:
ein so nettes Gesicht hatte. Einmal sah sie ihn von Angesicht zu Angesicht, als sie vom Einkaufen kam. Er öffnete ihr die Haustür und hielt sie geöffnet, bis sie mit der Tasche eingetreten war. Aber höfliche Manieren konnten Frau Brandstädter nicht täuschen. Gerade das schöne Gesicht, die durchdringenden Augen und das freundliche Lächeln überzeugten sie davon, daß er der wirklich Böse war.
     
    Hätte Frau Brandstädter Michaels Augen gesehen, als er langsam ins dritte Stockwerk hinaufstieg, hätte sie vielleicht ihre Ansicht geändert. Seine Augen starrten auf die Trep pen. Er dachte an die nächsten Tage, und mehr als alles fürchtete er, daß seine Müdigkeit bald von seinem gesamten Körper Besitz ergreifen könnte.
    Etwas stimmte bei der ganzen Sache nicht, dachte er. Ununterbrochen kamen Unrichtigkeiten vor. Er versuchte sich, ohne Erfolg, in die Lage von Oberst Joav Alon zu versetzen, der sich in einer Wohnung befand, die ihnen der Nachrichtendienst für solche Zwecke zur Verfügung stellte. Drei Zimmer, Küche und Bad, sparsam und funktionsgerecht möbliert. Im so genannten Wohnzimmer standen zwei Sessel im Kibbuz-Stil der fünfziger Jahre und ein Schwarzweißfernseher vor einem kleinen Tisch, auf dem »der Le bensnerv der Wohnung« stand, wie Zila sich ausdrückte: ein schwarzes Telefon.
    In den beiden anderen Zimmern befanden sich Betten, zwei in jedem Zimmer, und einige Stühle. Aus den Wandschränken im Korridor konnte man sich Wolldecken aus Militärbestand holen. Außer den Leuten von der Sonderkommission war stets auch ein Beamter vom Kommissariat anwesend, der abgelöst wurde, wenn sich das Verhör länger als einen Tag hinzog. Und ein Verhör dauerte immer länger als einen Tag, denn nur die geheimen Vernehmungen fanden in der Wohnung statt, und das waren die kompliziertesten und langwierigsten.
    Oberst Joav Alon, der Truppenkommandant des Bezirks Edom, der eine ungewöhnlich rasante Karriere hinter sich hatte und große Erwartungen zu rechtfertigen schien, saß bereits auf einem der Stühle in dem Zimmer, das auf den Hinterhof hinausging. Er war kreideweiß und hatte seinen Militärparka nicht abgelegt. Auf dem Stuhl ihm gegenüber saß Rafi und spielte mit einem Schlüsselbund. Zila war ins Wohnzimmer zurückgekehrt und wartete dort mit Menni auf Eli Bachar, der die Ergebnisse der Hausdurchsuchung in der Wohnung des Verhafteten bringen sollte. Als Michael das Zimmer betrat, erhob sich Rafi von seinem Stuhl, stellte sich an das geschlossene Fenster und blickte hinaus, bevor er die Rolläden herunterließ. Dann blieb er stehen und betrachtete Joav Alon, der Michael anschaute und in einem sehr beherrschten Ton fragte, ob dies der Mann sei, der ihm sagen werde, weshalb man ihn festgenommen habe. Inspek tor Ochajon steckte sich eine Zigarette an und flüsterte Rafi, der zu ihm getreten war, etwas ins Ohr. Dann zog sich Rafi in die Küche zurück, und man hörte das Klappern von Geschirr. Michael schloß die Tür.
    Der Oberst hob nicht die Stimme, als er wieder fragte, weshalb er hier sei. Er wirkte wie eine Gestalt aus den Werbespots der israelischen Armee, und sein kurzes, helles Haar, seine hellen Augen, die vollen, von der Trockenheit aufgesprungenen Lippen erinnerten unweigerlich an ArmyJeeps im Wüstenwind. Er war braungebrannt, das sah man trotz der Blässe, und wirkte kräftig, wenn auch der Parka nur Vermutungen über seine Konstitution erlaubte. Als er zum dritten Mal, seit Michael das Zimmer betreten hatte, seine Frage stellte, fügte er hinzu, daß niemand mit ihm auch nur ein Wort gewechselt habe. Außer der Tatsache, daß der Generalstabschef von seiner Verhaftung unterrich tet sei, wisse er nichts, bemerkte er, wobei er seinen Zorn beherrschte.
    Michael fragte, ob er sich tatsächlich nicht denken könne, warum man ihn festgenommen habe.
    Er habe keine Ahnung, sagte Alon. Er sei sich bewußt, daß die verschiedenen Sicherheitskräfte notwendigerweise zusammenarbeiten müßten, und das sei der einzige Grund, warum er noch höflich bleibe. »Aber meine Geduld ist jetzt am Ende. Sagen Sie mir, worum es geht, und zwar schnell.«
    Michael erinnerte ihn daran, daß die Polizei gesetzlich befugt sei, Verdächtige ohne Begründung für achtundvier zig Stunden festzuhalten. »Angesichts dieser Tatsachen ersuche ich Sie, keine Drohungen auszustoßen, sondern mit uns zusammenzuarbeiten. Sie wissen sehr gut, weshalb Sie hier sind.«
    Alon sah ihn an und sagte: »Von was zum Teufel sprechen

Weitere Kostenlose Bücher