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Denn am Sabbat sollst du ruhen

Denn am Sabbat sollst du ruhen

Titel: Denn am Sabbat sollst du ruhen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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halten. Nein, ein Selbstmord sei ausgeschlossen. Noch dazu im Institut! Eine zornige Kopfbewegung begleitete das Wort »nein«, das er mehrmals wiederholte: »Nein, ein solcher Mensch war sie nicht, nein, auf gar keinen Fall, nein, darüber brauchen Sie nicht weiter nachzudenken.« Sie wollte doch, fuhr er fort, indem er sich mit dieser unakzeptablen Hypothese auseinandersetzte, am selben Morgen den Vortrag halten. Ein Mensch, der so verantwortungsbewußt war wie sie? Nein.
    Doch das Ärgerlichste kam erst. Ochajon bat Gold, zusammen mit dem Einsatzleiter (Gold wußte bereits, daß damit der Rothaarige gemeint war) aufs Revier zu fahren, um die Zeugenaussage zu protokollieren. Anfangs ver suchte Gold vorzuschlagen, es auf den folgenden Tag zu verschieben, was Ochajon aber freundlich und bestimmt ablehnte. Sie betraten die Halle, wo der Rothaarige bereits wartete. Er lächelte Gold an und öffnete ihm sogar die Eingangstür. »Wie lange wird es dauern?« fragte Gold Ochajon, der sie beide betrachtete. »Nicht lange«, antwortete der Rothaarige und führte ihn zu demselben Renault, aus dem er am Morgen mit Ochajon gestiegen war.
    Das Bild, das sich Gold bot, bevor er das Institut verließ, sollte sich tief in sein Gedächtnis einprägen: In der Eingangshalle saßen die Mitglieder der Ausbildungskommission um den runden Tisch, der wieder an seinem angestammten Platz in der Mitte des Raumes stand; die Klappstühle waren verschwunden. Diese erfahrenen Analytiker wirkten verstört, sie standen vor einem Problem, mit dem sie noch nie konfrontiert worden waren. Hildesheimer, der eine dampfende Tasse Kaffee in der Hand hielt, hob den Blick und forderte Ochajon auf, sich zu ihnen zu setzen. Die Menschen am Tisch schienen Gold nicht besonders stark zu sein, nicht stärker als er selbst.
    Auf der Straße war es warm, nach einer verregneten Woche schien wieder die Sonne. Äußerlich war das Institut unverändert – das grüne Tor führte in den Garten, darüber erhob sich die runde Veranda, dahinter erstreckte sich das große Gebäude im orientalischen Stil. Die banale Vorstellung, daß alles gar nicht wahr sei, daß es nur ein böser Traum gewesen sei, drängte sich unweigerlich auf; vielleicht war er nur einer psychotischen Wahnvorstellung erlegen. Das Auto aber, das er bestieg, war real und auch der rothaarige Polizist hinter dem Steuer, genauso wie die Menschen, die um das Institut herumstanden und sich die Augen wischten. Es blieb kein Zweifel: Nichts würde mehr sein, wie es gewesen war.
     
     

Drittes Kapitel
     
     
    Auch sie sind nur Menschen, sagte sich Michael Ochajon und ließ sich nichts anmerken, als ihm bewußt wurde, daß es die Mitglieder der Ausbildungskommission waren, die sich um den runden, klobigen Tisch versammelt hatten.
    Der Tisch war riesig groß, neun Menschen saßen an ihm, und doch blieben drei viertel des Platzes unbesetzt. Aus den Zimmern hörte man gedämpft die Stimmen der beiden Leute von der Spurensicherung, die er gebeten hatte, alles »Zentimeter für Zentimeter« abzusuchen.
    Hildesheimer flüsterte ihm zu, daß er der versammelten Kommission mitgeteilt habe, daß Dr. Neidorf tot im Haus gefunden worden sei, ohne jedoch die Todesursache mitgeteilt zu haben. Er halte es für besser, wenn der Inspektor selbst darüber berichte. Eigentlich habe er ihn deswegen gebeten, sich »dieser Versammlung« anzuschließen. Seine Hände umklammerten die Kaffeetasse, als er sagte, daß alle die Nachricht mit Bestürzung aufgenommen hätten. Mi chael Ochajon fragte, ob jemand ungewöhnlich überrascht oder heftig reagiert habe, oder ob etwas seine besondere Aufmerksamkeit erregt habe. Der Alte schwieg einen Augenblick, dann sagte er, daß er sich an nichts Außergewöhnliches erinnern könne – im Moment, fügte er vorsichtig hinzu. Die Reaktionen wären – was aber zu erwarten gewesen sei – sehr emotional ausgefallen.
    Er bot dem Inspektor etwas zu trinken an, und Ochajon, dem der verheißungsvolle Duft des Kaffees aus der Tasse des Alten in die Nase stieg, sagte, ein Kaffee wäre ihm, wenn es keine Umstände mache, sehr angenehm. Jemand, der neben Hildesheimer saß, sagte mit fremdem Akzent, es gebe Mokka und Nescafé, allerdings keine Milch. »Mokka«, sagte Ochajon und fügte sofort hinzu: »Mit drei Löffeln Zucker, bitte. «
    Der kleine Mann mit dem schwarzen Rollkragenpullover und dem kindlichen, mürrisch wirkendem Gesicht wölbte die Augenbrauen und fragte erstaunt: »Drei?«
    Ochajon

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