Denn am Sabbat sollst du ruhen
nicht überzeugt. Nechama Szold widersprach auf der Stelle und fragte mit näselnder Stimme, was sie daran gehindert hätte, dies in ihrem eigenen großen und leeren Haus zu tun. Sara Schejnhar nickte zustimmend und murmelte etwas von den Kin dern, die ausgezogen seien, und der Ruhe, die dort eingekehrt wäre.
Rosenfeld bemerkte, daß die Vorlesung sicher bis ins De tail ausgearbeitet gewesen sei. Alle wüßten, wie perfekt sie solche Vorlesungen vorbereitet habe. Alle nickten. »Der Vor trag muß schon seit Wochen fertig gewesen sein«, sagte er.
»Was ist mit der Familie«, fragte Nechama, »wer wird die Kinder benachrichtigen?« Sie wischte sich mit dem rechten Handrücken das rechte Auge. Hildesheimer erklärte, daß sich der Sohn noch auf einer biologischen Studienreise in Galiläa befinde, deswegen sei er auch nicht zum Flugplatz gekommen. Die Polizei, und dabei blickte er auf Michael, der sich beeilte zu nicken, versuche bereits, ihn zu erreichen. »Der Schwiegersohn, der mit Eva zusammen zurückgekehrt ist«, sagte der Alte, »befindet sich in Tel Aviv, im Haus seiner Eltern. Sicher hat man ihn bereits verständigt.« Wieder sah er Michael an, der das bestätigte.
Michael fragte, ob es möglich sei, daß sie sich am Morgen mit jemand im Institut getroffen habe.
Diesmal herrschte kein Schweigen, sondern Stimmengewirr erhob sich, und die Wörter »Patient« und »Kandidat« schwirrten durch den Raum. Wieder war es Joe Linder, der laut antwortete, daß sie ihre Patienten zu Hause in ihrem Arbeitszimmer empfangen habe. »Weshalb hätte sie davon abweichen sollen? Es sei denn, daß nach der Reise viel leicht ...«, seine Stimme nahm allmählich ab. Einzelne nickten. Michael Ochajon, der einen letzten Schluck Kaffee nahm, fragte, während er sich noch eine Zigarette anzündete, ob er die Patientenliste von Dr. Neidorf bekommen könne.
Im Zimmer erhob sich ein Sturm, als sei eine Bombeeingeschlagen. Außer Hildesheimer sprachen alle gleichzei tig. Der gemeinsame Grundton war Protest. Rosenfeld nahm das braune Zigarillo aus dem Mund und sagte nachdrücklich, daß ein solcher Bruch der ärztlichen Schweige pflicht nicht in Frage komme. Unmöglich. Alle unterstütz ten ihn.
»Ich verstehe Ihren Standpunkt«, sagte Michael ruhig, »aber hier ist jemand eines unnatürlichen Todes gestorben. Und da die Patienten Kandidaten des Instituts sind und die Analyse ein wichtiger Teil ihrer Ausbildung ist, verstehe ich nicht ganz, was an all dem so geheimnisvoll ist.«
Es wurde vollkommen still im Zimmer. Sogar Hildesheimer blickte auf Ochajon, der mit seiner Zigarette beschäftigt war und es genoß, alle so erstaunt über seine Informationsquelle zu sehen. Keiner wagte, laut seine Überraschung auszudrücken.
»Allem Anschein nach starb Eva Neidorf infolge eines Revolverschusses in die Schläfe. Das ist kein natürlicher Tod. Unter den gegebenen Umständen müssen wir wissen, wer heute Morgen bei ihr war; ich hoffe, Sie verstehen das. Es besteht auch die Möglichkeit, daß sie sich selbst erschossen hat. Dann aber erhebt sich die Frage, weshalb der Revolver nicht neben ihr lag. In jedem Fall muß jemand hier gewesen sein, ob nun vor oder nach ihrem Tod. Wir suchen natürlich den Revolver. Sie aber bitte ich, mit uns zusam menzuarbeiten und meine Fragen zu beantworten. Zu nächst: Kann man die Möglichkeit in Betracht ziehen, daß sie sich erschossen hat? Und wenn ja – wer könnte den Revolver entfernt haben?« Er schwieg und ließ seinen Blick von einem zum anderen wandern: Alle schienen wie gelähmt.
Michael erwähnte nicht, daß der Pathologe mit der üblichen Zurückhaltung – Genaues könne man erst nach der Obduktion wissen – festgestellt hatte, daß die Entfernung, aus der der Schuß abgegeben worden war, Selbstmord ausschließe. Er verschwieg auch, daß er die Beschlagnahmung der vertraulichen Unterlagen gerichtlich erwirken könnte. Er wartete geduldig.
Hildesheimer bat mit einem Blick um das Wort, und Michael erteilte es ihm. Mit etwas zitternder Stimme bekräftigte der Alte die Worte des Inspektors und berichtete ausführlich über die Ereignisse des Morgens. Rosenfelds Gesicht, das weiß wie Kalk war, begann sich zu verzerren, Joe Linder erhob sich von seinem Platz, Nechama Szold zitterte am ganzen Körper. Hildesheimer entschuldigte sich wegen der Art und Weise, durch die alles bekannt wurde. Keiner sagte ein Wort. Diese Menschen, dachte Michael, sind ausgesprochen beherrscht. Von neuem betrachtete er
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