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Denn am Sabbat sollst du ruhen

Denn am Sabbat sollst du ruhen

Titel: Denn am Sabbat sollst du ruhen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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»Nein, keine Kommissionssitzung«, sagte Joe. »Eva Neidorf wurde tot im Institut aufgefunden.« Er sprach nicht von einem Revolver. Auch nicht von Mord. Die Kugelschreiber knirschten, die Aussagen wurden dem Inspektor ausgehändigt. Dann verließen die Mitglieder    der Ausbildungskommission einer nach dem anderen das Institut. Ernst Hildesheimer, der an diesem Morgen, vielleicht ohne es zu wissen, einen neuen Bewunderer gewonnen hatte, ging als letzter.
     
     
     

Viertes Kapitel
     
     
    Erst gegen Abend gelang es, Michael aufzuspüren. Er war auf dem Rückweg von Tel Aviv; dort hatte er sich kurz mit Hillel, dem Schwiegersohn Eva Neidorfs, getroffen. Hillel mußte nun in Chicago anrufen, um seiner Frau die schwere Botschaft zu übermitteln. Und dies, während er sich in der Intensivstation des Ichilov-Krankenhauses bei seiner Mut ter befand, die infolge eines Herzversagens an einem Lungenödem erkrankt war.
    Michael und Hillel hatten in dem Wartezimmer vor der Herzabteilung gesessen. Hillel war blaß geworden, er hatte seine Brille abgenommen, aber Michael hatte den Eindruck, daß er die Botschaft noch nicht wirklich begreifen konnte. Als Michael den Raum verließ, hörte er Hillel noch immer sagen: »Das kann doch nicht sein, das glaube ich nicht.« Er hatte Michael keinerlei Hinweise geben können.
    In der Zentrale verstanden sie nicht, weshalb Michaels Sprechfunk keine Reaktion gezeigt hatte, bis er die Umge bung Jerusalems erreichte. Die Frequenz, meinte Naftali von der Zentrale, müßte eigentlich eine Verbindung bis Tel Aviv ermöglichen. Michael gab keine Erklärung. Schließlich genügte ein Knopfdruck, um den Kontakt abzubrechen und Ruhe zu haben. Er hatte versucht, seine Gedanken zu ordnen. Sein Leben war auch ohne diesen Fall kompliziert genug, dachte er erbittert. Er tauchte ab in seine innere Welt, und die Entfernung zwischen Tel Aviv und Jerusalem wurde ausgelöscht.
    Einmal hatte eine Frau, die er liebte, zu ihm gesagt, nur wer ihn gut kenne, wisse, wann er in Not sei: Er werde dann zusehends abwesender, seine Augen würden glasig und sein Verhalten distanziert höflich. »Wieder gehst du weg, und bald wirst du nicht mehr da sein«, hätte sie gesagt, wenn sie jetzt neben ihm gesessen hätte. Michael hätte kaum sagen können, ob sich noch andere Wagen auf der Autobahn befanden. Er fuhr wie unbewußt, wobei er dennoch alle Vorschriften beachtete.
    In ihm wuchs die Sehnsucht nach dieser Frau, und kurz vor Abu Gosch spürte er sogar ein schwaches Echo ihres Duftes im Wagen. Schließlich stellte er das Funkgerät wieder an, um die Sehnsucht und den Schmerz zu überwinden. »Der Sabbat ist nicht unser Tag«, hatte sie vor Jahren gesagt, »Diebe treffen sich nicht am Sabbat.« Sie hatte nicht gelacht.
    Die Zentrale meinte, sein Gerät müsse überprüft werden, wenn er zurück sei. Er widersprach nicht.
    »Zur Sache«, sagte Naftali. »Die ganze Welt sucht dich, unter anderem ein Typ mit einem langen Namen, der einige Male hier angerufen hat und dich sprechen wollte.«
    Michael fragte nach dem Namen. Die Antwort waren unverständliche Laute, und schließlich mußte Naftali den Namen buchstabieren. »Ich weiß, von wem die Rede ist«, sagte Michael, und nachdem er der Sonderkommission mitteilen ließ, daß er sich von der Stadt aus melden werde, fragte er, was genau Hildesheimer wollte.
    »Hat er nicht gesagt. Er hinterließ nur eine Telefonnummer.«
    Ochajon ließ sich die Nummer durchgeben. Es war bereits halb neun. In der Stadt drängten sich die Menschen. Der Abend des Sabbat ist bekanntermaßen nicht der beste Zeitpunkt, um auf Jerusalems Hauptstraßen zu fahren. Er bog von der Ussischkinstraße ab und suchte nach einer Telefonzelle.
    Er mußte drei Münzen opfern, bis er eine funktionie rende Telefonzelle fand. Hildesheimer antwortete so schnell, als hätte er seine Hand auf dem Hörer gehabt und auf das Läuten gewartet. Michael erkannte die Stimme sofort. Nach einigen entschuldigenden Sätzen bat der Alte um eine Begegnung. Michael fragte, wo es ihm angenehm sei, worauf der Alte zögernd fragte, aus welchem Stadtteil er anrufe.
    Kurz darauf befand sich Inspektor Ochajon auf dem Weg zu Hildesheimers Haus im Herzen von Rechavia, das einige Minuten Fußweg von der Telefonzelle entfernt lag.
    Wie er angenommen hatte, war es eins der alten Häuser Rechavias, in denen die »Jecken« wohnten, die in den Dreißiger Jahren aus Deutschland gekommen waren. Im ersten der drei Stockwerke befand sich ein

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