Denn am Sabbat sollst du ruhen
Grund.
Aber ohne vorherige Vereinbarungen, sagte Rosenfeld mit zitternder Stimme, hätte Eva sich hier mit niemandem getroffen. »Schon gar nicht am Morgen der Vorlesung.« Er hielt verwundert inne. »Nur etwas außerordentlich Dringendes, nur ein Notfall hätte sie zu so früher Stunde ins Institut führen können.«
»Es sei denn, die vermutete Begegnung hätte schon gestern stattgefunden«, sagte Joe Linder, und alle sprangen auf. »Woher wissen wir, wann sie von uns gegangen ist?« fragte er und machte eine Handbewegung, als ob er das Wort verscheuchen wollte, das zu benutzen er nicht gewagt hatte.
»Der Arzt hat festgestellt«, sagte Hildesheimer, »daß sie noch nicht lange tot war. Natürlich muß das noch genauer untersucht werden.« »Und daher«, kehrte Michael zum Ausgangspunkt zurück, »bitte ich um die Namen aller Patienten, die Dr. Neidorf behandelt hat, und auch um die Namen der Mitglieder, Kandidaten und überhaupt aller, die dem Institut nahe stehen.«
»Und was ist mit den Supervisionsgesprächen?« wollte Joe Linder wissen. »Weshalb sind Sie nicht an einer gesonderten Aufstellung der Supervisanten interessiert?«
Michael Ochajon rekapitulierte blitzschnell, was ihm Gold mitgeteilt hatte. Von Supervision war keine Rede gewesen. Er sah Linder fragend an, und letzterer warf ihm einen provozierenden Blick zu, als wolle er sagen: »Ich dachte, du weißt über alles so genau Bescheid?« Er wurde aber durch einen Blick Hildesheimers sofort zur Ordnung gerufen und erklärte, die Kandidaten dürften nur unter Supervision behandeln, wobei sie für jeden Fall einen ande ren Kontrollanalytiker zur Seite bekämen: »Drei Fälle, drei Kontrollanalytiker«, schloß er mit makabrer Fröhlichkeit.
»Und wer«, fragte Michael, »führt die Supervision durch? Nur Angehörige der Ausbildungskommission oder alle Institutsmitglieder?«
»Alle, die von der Kommission für geeignet gehalten werden«, erwiderte Rosenfeld, der sich inzwischen erholt hatte. Seine Hände zitterten nicht mehr.
Michael erhob sich und sagte, er werde jeden von ihnen zu einer längeren Unterhaltung bestellen. Jetzt bitte er nur um ihre Adressen und Telefonnummern. Wenn sie schriftlich darlegen könnten, was sie in den letzten vierundzwanzig Stunden getan hätten, wäre er ihnen sehr verbunden. Er steckte sich eine weitere Zigarette an. Jemand wollte protestieren, aber Hildesheimer erhob seine Stimme und sagte mit Bestimmtheit, daß er von allen vollkommene Mitarbeit erwarte. Hier gebe es nichts zu verbergen. »Man muß«, sagte er mit einer Stimme, die in der Eingangshalle widerhallte, »den Schuldigen finden. Wie sollen wir hier zusam menarbeiten, solange der Fall nicht gelöst ist? Wenn es einen gibt unter uns, der zu einem Mord fähig ist, dann dürfen wir nicht ruhen, bis wir ihn gefunden haben.«
So war es endlich ausgesprochen, dachte Michael Ochajon und wandte sich den beiden Beamten zu, die endlich die Durchsuchung der Zimmer abgeschlossen hatten und jetzt, wie verabredet, auf ihn warteten. Er betrachtete wieder die Porträts der Verstorbenen, begutachtete einen nach dem anderen und lauschte den Worten des Alten: Die Angehörigen der Ausbildungskommission wie auch die drei Mitglieder der Institutsleitung müßten nun gemeinsam versuchen, alle sich ergebenden Probleme zu lösen. »Vor allem in Anbe tracht der schrecklichen Art, auf die sie uns entrissen wurde.« Man müsse ihren Patienten und Kandidaten hel fen, man müsse dem Mißtrauen, das ein Kollege dem anderen nun entgegenbringe, standhalten, es werde, fügte er hinzu, eine schwere Zeit auf sie zukommen. »Wir müssen alles in unserer Macht Stehende tun, um der Polizei weiterzuhelfen. Es nützt niemandem, wenn hier jemand den Eingeschnappten spielt. Bitte arbeiten Sie mit dem Inspektor zusammen.«
Joe Linder bat, sich für einen Augenblick entschuldigen zu dürfen, er sei zum Mittagessen verabredet und müsse absagen; selbst dies käme nun verspätet, aber er müsse wenigstens Bescheid geben. »Oder darf hier niemand den Raum verlassen, bevor sein Alibi nicht aufgeklärt ist, wie bei Agatha Christie?«
Keiner lächelte über diesen Scherz. Michael begleitete ihn in die Küche und bedeutete mit einem Kopfnicken dem uniformierten Polizisten, der dort wartete, daß das Telefo nat genehmigt sei. Er verließ die Küche, blieb aber bei der Tür stehen und hörte, wie Joe einem gewissen Joav leise und vertraulich mitteilte, daß sie sich nicht wie geplant treffen könnten.
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