Denn am Sabbat sollst du ruhen
steckten; er dachte über die Menschen nach, die ihre künstlerische Ader bei der Gestaltung ihrer Einrichtung auslebten, und er wurde wütend auf diese Menschen, ohne zu wissen, warum. Er wollte auch nicht wissen, wieso dieser Gedanke seine Wut erregte, und er konnte trotzdem nicht umhin, die sorgfältige Einrichtung zu bewundern.
Zum hundertsten Mal fragte er sich, ob es wohl jemand geben könnte, der den Inhalt des Vortrages kannte und einen Grund für das Verschwinden wüßte. Endlich stellte er auch Hildesheimer diese Frage. Doch der Alte schüttelte den Kopf und sagte bedrückt, er denke selbst ununterbrochen darüber nach, aber er komme zu keinem Ergebnis.
Im Zimmer war es sehr kalt, und beide saßen in ihren Mänteln da. Als die Türglocke läutete, sprang Michael auf und öffnete. Im strömenden Regen standen Zila und Eli und hinter ihnen Schaul von der Spurensicherung.
Zila wollte gerade etwas sagen, doch Michael, der die Frage, wo er den ganzen Abend gesteckt habe, schon ahnte, kam ihr zuvor. Er gab eine detaillierte Schilderung der letzten Ereignisse. Ihren Gesichtern konnte er ansehen, daß sie schnell begriffen, welche Bedeutung er dem Verschwinden des Vortrages und sämtlicher Notizbücher beimaß. »Schaut euch auch draußen um«, schloß Michael, »nach Reifenspuren und Schuhspuren. Und hier drin bitte jedes Papier, jeden Zettel sammeln, aufbewahren, klassifizieren. Und hier bleiben, bis jemand zur Ablösung kommt. jeden Telefonanruf beantworten. Aber bitte vorsichtig.« Sofort eilten die drei in das obere Stockwerk.
Hildesheimer sagte nichts, er betrachtete nur aufmerksam die Gesichter der Leute, als sie die Anweisungen bekamen. Nachdem sie den Raum verlassen hatten, erklärte Michael, daß sie alle Zimmer durchsuchen würden – auch nach Fingerabdrücken, obwohl er sich da kaum noch Hoffnungen mache.
Hildesheimer wirkte, als ob er bereits alle Hoffnungen aufgegeben habe. »Eva hat solchen Wert auf ihre Privatsphäre gelegt, sie hat so zurückgezogen gelebt, und jetzt dringen alle in ihre Welt ein. Ach«, seufzte er ohnmächtig.
Michael bot ihm an, ihn nach Hause zu bringen, doch der Alte wehrte ungehalten mit dem Arm ab. Er wollte bleiben und sehen, ob man etwas finde. Michael nickte, zog die Handschuhe aus, stopfte sie in die Tasche und begann erneut, auf- und abzugehen.
»Verbringen Sie viele Nächte auf diese Weise?« fragte Hildesheimer.
Er bekam nur einen Seufzer zur Antwort.
»Wie halten Sie das aus?«
»Ich versuche, zwischen zwei Fällen Ruhe zu finden.« Und auf die Frage, wie die Familie »eine solche Tätigkeit« aushalte, zuckte er die Schultern und sagte: »Wer sagt, daß sie es aushält?« Mit einem traurigen Lächeln fügte er hinzu, daß es seit der Scheidung vor allem darum gehe, mit dem Kind in Kontakt zu bleiben. »Auch Ihre Arbeit ist eine einsame«, ergänzte er, nach einigem Nachdenken. Hildes heimer nickte und fragte nicht mehr, er senkte nur den Kopf, und Michael ging weiter in dem großen Zimmer auf und ab. Er betrachtete ein Bild, blieb vor einer Plastik stehen und betrat schließlich die Küche. Er starrte auf den runden, rustikalen Tisch. Dann bemerkte er den kühlen Luftzug und blickte zum Fenster. Und da erfüllte ihn Zorn, weil er nicht aufmerksam genug gewesen war.
Sofort verließ er die Küche und rief laut: »Schaul! Schaul!« ohne Hildesheimer etwas zu sagen. Schaul lief herbei, gefolgt von Zila. Eli, der sich am anderen Ende des Hauses befand, hatte ihn nicht gehört. Michael zog sie zum Küchenfenster. Vom Glas waren nur Scherben im Rahmen zurückgeblieben, das weiße Gitter war verbogen.
Schaul näherte sich und sagte: »Bitte, tretet zur Seite, ihr steht mir im Licht.« Zila und Michael machten Platz und standen nun im Eingang zur Küche. Hildesheimer stand auf und kam zu ihnen. Schaul verließ die Küche und kehrte gleich darauf mit einer großen Tasche zurück. Nachdem er Gummihandschuhe übergestreift hatte, untersuchte er alles mit Hilfe diverser Pülverchen, einem Vergrößerungsglas und einer starken Taschenlampe. Daraufhin machte er Fo tos und ging wieder hinaus. Sie hörten, wie die Eingangstür des Hauses geöffnet wurde. Kurz darauf tauchte sein Kopf auf der anderen Seite des Küchenfensters auf. Dort begann er seine Arbeit von neuem. Dann hob Schaul das Fenstergitter mühelos aus der Wand. »Komm mal zu mir«, bat er Michael, und als dieser neben ihm stand, zeigte er auf das Gitter. »Jemand hat es verbogen und heraus gebrochen.
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