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Denn am Sabbat sollst du ruhen

Denn am Sabbat sollst du ruhen

Titel: Denn am Sabbat sollst du ruhen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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Dinge, die ihn um seinen Schlaf brachten.
    Er war sich nicht völlig klar darüber, was ihn so aufwühlte. Der Tod Eva Neidorfs erregte in ihm weder Trauer noch Schmerz, er hatte sie nie gemocht. Er hatte sie sogar ein wenig gefürchtet, er hatte gespürt, daß sie ihm mißtraute. Hätte sie ihn nicht ganz so kühl behandelt, hätten sich auch seine Gefühle ihr gegenüber gewandelt. Er empfand keinerlei Schuldgefühl, nicht einmal jetzt, nach ihrem Tod. Sie hatte weder dem Menschen noch dem Therapeuten Joe Linder Achtung oder Zutrauen entgegengebracht. Das nahm er ihr noch immer übel, zumal er stets das Gefühl gehabt hatte, daß sie grundsätzlich gegen ihn eingestellt war und er machtlos dagegen war.
    Joe war überzeugt, daß Hildesheimer ihn nicht daran gehindert hätte, Lehranalytiker zu werden, wäre da nicht der entschiedene und hartnäckige Widerstand Eva Neidorfs gewesen, die ihren Weg im Institut Jahre nach ihm begonnen hatte und trotzdem so weit gekommen war. In ihrer Anwesenheit hatte er sich immer wie ein Kind gefühlt, dessen lächerliche Geltungssucht vor allen bloßgestellt wurde.
    Er empfand sogar eine gewisse Freude über ihren Tod und vielleicht sogar über die Art, wie sie gestorben war. Und der Gedanke, daß sich unter ihnen ein Mörder befand, er weckte keinerlei Schrecken in ihm. Er war nur ein wenig beunruhigt, vor allem aber neugierig.
    Er hatte immer angenommen, daß außer Hildesheimer jedermann zu allem fähig war. Und auch der Gedanke an ihn, an den Alten mit dem gebrochenen Herzen, erweckte in ihm kindische und mißgünstige Empfindungen. Joe Linder, der sich so oft im stillen seiner kompromißlosen Offenheit rühmte, der sich selbst härter in Frage stellte als sonst ein anderer, der bereit war, sich auch mit den schwärzesten Seiten seiner Seele auseinanderzusetzen – Joe hatte nicht den Mut, sich selbst einzugestehen, daß er den Alten nicht wirklich liebte.
    Niemals hatte er gewagt, die Stimme gegen ihn zu erheben, nicht einmal im Stillen, für sich. Der Alte war vollkommen, jedenfalls als Analytiker und als Funktionsträger im Institut. Und in Wahrheit fiel es Joe schwer, seinen großen Schmerz darüber zu verbergen, daß der Alte ihn nicht wirklich akzeptiert, ihn nicht zum Nachfolger gemacht, ja kaum Interesse an ihm gezeigt hatte.
    Eva Neidorf betitelte er mit »Ihre Hoheit«, Hildesheimer nannte er »Opa Ernst« – doch nur im engeren Kreise, wenn die Genannten nicht zugegen waren. Er wußte, daß er das nur tat, um Eindruck auf die Jüngeren zu machen. Er war auch bereit, sein Verlangen nach der Nähe des Alten und seine heftige Eifersucht auf Eva Neidorf zuzugeben, auf ihre besondere Beziehung zu Hildesheimer, und all das erfüllte ihn mit Abscheu vor sich selbst.
    Er erhob sich von seinem Bett und schlüpfte in den abge tragenen Morgenmantel, wobei er den unangenehmen Schweißgeruch ignorierte, den dieser ausströmte.
    Nein. Mitleid empfand er nicht mit dem Alten. Der hatte sich seinen Kummer selbst zuzuschreiben. Alles wäre ihm erspart geblieben, wenn er nicht »Ihre Hoheit« ausgewählt hätte, sondern Joe Linder. Joe hatte immer darauf bestan den, daß es Engel nur im Himmel gebe, und jetzt hatte Eva Neidorf das selbst bewiesen. Sicherlich hätte sich niemand die Mühe gemacht, ihn zu ermorden. Womit wohl, fragte er sich, hatte sie eine derart gewalttätige Reaktion provoziert? Man hatte ja zu bedenken, daß der Täter aus einer Gruppe von außerordentlich kontrollierten und selbstbeherrschten Menschen stammen mußte. Allerdings: Gerade Menschen, die sich besonders formell und kühl geben – wie die Nei dorf – haben wohl die furchtbarsten Eigenschaften zu verstecken; davon war er immer ausgegangen. Auch jetzt, nach ihrem Tod, würde ihm der Weg zum Lehranalytiker verschlossen bleiben, selbst wenn es Rosenfeld endlich gelingen würde, seine Träume zu verwirklichen und die Leitung der Ausbildungskommission zu übernehmen. Rosenfeld hatte nicht den Mut – und vielleicht auch nicht den Wil len – Joes fachliche Fähigkeiten anzuerkennen.
    Es war kalt. Er zog den Gürtel des Schlafrocks enger, schlug den Kragen hoch und schlurfte in die Küche, wo sich wie üblich das schmutzige Geschirr stapelte. Eine riesige Kakerlake bewegte sich gemächlich vom Kühlschrank zu der Spüle aus Marmor. Montags kam die Putzfrau, bis dahin würde das klebrige Geschirr im Becken bleiben, es sei denn, er würde es selbst abwaschen. Er schimpfte, als er nicht einmal eine saubere Tasse

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