Denn am Sabbat sollst du ruhen
fragte er, nachdem er sich geräuspert hatte, »lassen wir ihn herbringen?« Eli nickte frierend.
Im Auto roch es nach nasser Wolle, und Michael öffnete trotz des Regens das Fenster. Dann beugte er sich zum Sprechfunkgerät und bat die Zentrale, Gidoni mitzuteilen, daß er nun doch nicht kommen würde. Am Stadteingang meldete sich die Zentrale: Gidoni ließ fragen, ob seine Leute ihm den Gärtner bringen sollten. Michael bejahte, und vom Rücksitz hörte man ein erleichtertes Aufatmen. Zila lächelte, Michael zuckte mit den Schultern und steckte sich eine Zigarette an. Es regnete weiter, und in entschuldigendem Ton sagte Eli, daß ein solches Verhör stundenlang dauern könne. »Bei diesem Wetter in Bethlehem steckenzubleiben ... «, schloß er, ohne den Satz zu beenden.
Zila hielt vor ihrem Stammlokal am Machane-Jehuda Markt, niemand widersprach, als sie feststellte: »Nach einer Beerdigung bin ich immer hungrig.«
Wie Zila zwischen zwei Bissen Fleisch prophezeit hatte, war Ali Abu-Mustafa bereits im Arrestraum, als sie zum Russischen Platz zurückkehrten. Michael rauchte nervös. Der Übergang von der Beerdigung zum Restaurant, das zielstrebige Geplauder Zilas und Elis konsequentes Schweigen, der appetitlos auf dem Teller herumgestochert hatte, sowie das bevorstehende Verhör verursachten die innere Anspannung.
»Versuch dir mal vorzustellen, wir würden einen jüdischen Siedler aus Bethlehem oder Umgebung auf diese Art und Weise festhalten«, sagte Zila und parkte geschickt ein.
Der Verhaftete saß zusammengekauert in einer Ecke des Raumes. Sie entließen den Beamten, der ihn bewacht hatte. Michael ließ seinen Blick über Alis schwachen Körper gleiten, der ihn mit den Augen eines Menschen ansah, der weiß, daß alles verloren ist. Eli notierte die Angaben zur Person, und Michael saß in der anderen Ecke des Zimmers. Ali versuchte zu erraten, wer hier der Vorgesetzte war, seine Augen wanderten schnell von einem zum anderen und blieben schließlich bei Eli stehen, der ihn mit ruhiger Stimme fragte, weshalb er heute nicht zur Arbeit erschienen sei. Nach langem Schweigen wiederholte Eli die Frage.
Michael verstand gut arabisch, fürchtete sich aber stets vor den Nuancierungen in Aussprache und Wortschatz und davor, ein Detail zu verpassen; sein Blick war auf den jungen Araber gerichtet, der endlich sagte, er sei krank gewesen.
Eli erkundigte sich nach den Symptomen der Krankheit, und Ali deutete an seine Stirn und sagte, er habe die ganze Nacht Fieber gehabt. Nach einem leichten Zögern fragte er, ob sein Fehlen bei der Arbeit der Grund für seine Verhaftung sei. In der Frage lag keinerlei Ironie, nur die Ergebenheit eines Menschen, der sich daran gewöhnt hat, daß alles ein Grund zur Verhaftung sein könnte. Eli erklärte ihm, daß die Verhaftung nichts mit Politik zu tun habe, sondern mit einem Mord.
Ali richtete sich auf, wiederholte das Wort »Mord« fragend, erstaunt, protestierend, und schließlich sagte er einen ganzen Satz, der damit endete, daß er nicht wisse, wovon die Rede sei. Eli zeichnete Dosen auf ein Blatt Papier, das vor ihm auf dem Tisch lag.
Das Zimmer, in dem sie saßen, lag im zweiten Stock der Untersuchungsabteilung. Die Farbe der Wände war gelblich-grau, durch das einzige Fenster sah man auf den Hinterhof. Der Tisch und die beiden Stühle davor waren grau gestrichen, und die gesamte Atmosphäre war, wie Michael jedesmal aufs neue feststellte, äußerst deprimierend. Eli schwieg und wartete. Dann machte er eine Bemerkung zur Arbeit am Sabbat, worauf Ali aufsprang und sagte, er habe nichts Böses getan. Er arbeite aus religiösen Gründen am Sabbat, der Hausverwalter wisse das. Es sei eine private Übereinkunft, die man mit ihm geschlossen habe, weil er gut arbeite und man ihm vertraue.
Eli blickte von dem Stück Papier und den darauf gezeichneten Dosen auf. Welche religiösen Gründe, fragte er, können einen Moslem veranlassen, den Sonntag zum freien Tag zu wählen? Später erklärte er Michael, daß es in Dehejsche fast nur Moslems gebe, er sei kein besonders großes Risiko eingegangen. Alis Gesicht war grau, als er stotternd erwiderte, daß die meisten seiner Freunde am Sabbat arbeiten würden und daß sich das öffentliche Le ben im Flüchtlingslager und dessen Umgebung auf den Sonntag konzentriere. Die Antwort wirkte überzeugend, aber Eli gab nicht nach, sondern fragte, wie lange sein Bruder schon verhaftet sei. Ein Zittern überfiel den Häft ling, und er sagte, daß die
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