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Denn am Sabbat sollst du ruhen

Denn am Sabbat sollst du ruhen

Titel: Denn am Sabbat sollst du ruhen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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Elftes Kapitel
     
     
    Michael Ochajon steckte sich eine Zigarette an und verbarg die Glut in seiner Hand. Er wußte, daß man an diesem Ort nicht rauchte, doch er konnte sich nicht beherrschen. Zila betrat die Einsegnungshalle, Michael blieb auf der obersten Stufe der breiten Freitreppe stehen und beobachtete die Menschen, die in die Halle strömten. Er hatte schon viele Leichen gesehen, doch es fiel ihm noch immer schwer, sich in Einsegnungshallen und auf Friedhöfen aufzuhalten. Noch quälender war für ihn der Anblick der Toten, die man der Erde übergab. In solchen Augenblicken dachte er immer voller Sehnsucht an die prachtvollen Särge der Römer, an die Sarkophage und an alle möglichen anderen Bestattungsriten. Nur nicht dieser von einem dünnen Leichenhemd bedeckte Körper auf einer offenen Bahre.
    Linder ging an ihm vorbei. Eine Frau stützte sich auf seinen Arm, und aus der Selbstverständlichkeit, mit der er sie hielt, schloß Michael, daß es seine Frau war. Linders Blick streifte Michael, ohne zu reagieren, nur ein Zucken in seinen Augen deutete an, daß er ihn erkannt hatte.
    Er sah Dina Silber in Pelzmantel und schwarzem Schal zusammen mit einem jungen glatzköpfigen Mann, der einen dichten Kinnbart hatte, die Treppe hinaufsteigen. Erleich tert erkannte er eine Polizistin in Zivil, ein Fotoapparat hing um ihre Schulter, und ein Presseabzeichen steckte an ihrem Mantelaufschlag. Sie nickte ihm unauffällig zu und richtete ihre Kamera auf die beiden. Michael hoffte, daß sie alle fotografieren werde, auch wenn das unmöglich war.
    Auf der untersten Stufe der Freitreppe stand der zweite Fotograf und spielte mit seinem Feuerzeug. Auch wirkliche Journalisten und Pressefotografen waren anwesend und fotografierten die Trauergäste, die die Treppen hinaufstiegen.
    Schwerfällig erklomm der alte Hildesheimer, gestützt auf Rosenfeld, dessen Gesicht ohne Zigarillo nackt wirkte, mit hängenden Schultern und gesenktem Kopf die Treppe, ein dunkler Hut verdeckte sein Gesicht. An der anderen Seite Rosenfelds ging eine Frau, die Michael nicht kannte. Er nahm an, daß die meisten Analytiker mit ihren Angehörigen kommen würden, zumindest mit ihren Partnern. Viele Menschen stiegen die Freitreppe hinauf, langsam, bedrückt. Alle waren in Mäntel gehüllt, die Kälte war schneidend.
    Er sah viele bekannte Gesichter. An einige erinnerte er sich vom Institut, andere waren ihm aus seiner Studienzeit an der Universität bekannt. Die Creme der Gesellschaft, dachte Michael, die Elite Jerusalems, das, was man ein stattliches Begräbnis nennt.
    Dennoch spürte man auch eine allgemeine Anteilnahme. Zeichen von Schmerz und Trauer waren auf allen Gesichtern zu erkennen. Zwei weinende Frauen kamen die Treppe hinauf, und an der Tür zum Saal, der bereits voll war, bildete sich eine Ansammlung, man hörte Schluchzen.
    Langsam ließ der Zustrom auf der Treppe nach, und aus der einkehrenden Stille, die nur von Weinen unterbrochen wurde, entnahm Michael, daß die Zeremonie begonnen hatte. Jemand hielt eine Trauerrede, eine Männerstimme, die Michael nicht identifizieren konnte. Von seinem Platz aus konnte er die Worte nicht verstehen. Etwas an dieser Trauerfeier paßte nicht zu den Menschen, die hier zusammengekommen waren. Die Gäste dieser Beerdigung schienen alle in behüteten, gutbürgerlichen Verhältnissen zu leben. Eva Neidorf war nicht an einer Krankheit gestorben, nicht an den Folgen eines Unfalls und nicht an Altersschwäche. Und auf den Gesichtern der Trauergäste lag neben Schmerz, Kummer und Trauer, neben diesen Gefühlen, die man auf allen Beerdigungen erlebt, noch etwas anderes: Dumpfe Furcht hatte Michael in den Blicken, die ihm begeg net waren, gelesen, vor allem aber Zorn, manchmal sogar Wut.
    Lizzi Sternfeld, die am Sabbat, wie er sich gut erinnerte, in Tränen ausgebrochen war, hatte nicht geweint, als sie, von zwei jungen Leuten gestützt, die Treppe hinaufgekommen war. Ihre aufeinander gepreßten Lippen hatten sowohl Trauer als auch Zorn ausgedrückt. Sie wirkte wie jemand, der begriff, was geschehen war. Wie ein großer Raubvogel ließ sie den Blick, der voller Verdächtigungen war, von einem zum anderen wandern. Auch sie sucht den achten Reisenden, dachte Michael. Alle sehen sie aus wie die Inkarnation des guten Staatsbürgers, und wenn ich es nicht besser wüßte, hier würde ich den Mörder sicher nicht suchen. Aber auch sie blicken sich um und

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