Denn die Gier wird euch verderben - Thriller
dürfe nicht kochen und der Tee nicht zu lange ziehen.
»Ich kaufe den übers Internet«, sagte sie, als Rebecka ihr ein höfliches Kompliment machte.
»Sie haben sich also um Frans Uusitalo gekümmert«, sagte Rebecka.
»Ja, herrjemine, was für eine Geschichte. Ich habe ihm oft genug gesagt, er müsse mir Bescheid sagen, ehe er in den Wald ging, er könne doch vom Rad fallen oder was auch immer, und dann wollte ich wissen, wo ich suchen sollte. Aber Sie wissen ja, alte Männer. Er war unglaublich gut in Form. Über neunzig, das muss man sich mal vorstellen. Warum fragen Sie nach ihm?«
»Ich sehe mir die Sache mit dem Todesfall genauer an. Wissen Sie, ob irgendwer Groll gegen ihn hegte?«
»Nein, wie meinen Sie das? Und er wurde doch von diesem Bären überfallen.«
»Können Sie sich erinnern, ob vor seinem Verschwinden etwas Ungewöhnliches passiert ist? Etwas, das irgendwie aus der Reihe fiel? Kam er Ihnen besorgt vor? Oder sonst etwas?«
»Was? Nein. Soweit ich mich erinnere, war alles wie immer. Weshalb hätte er sich denn Sorgen machen sollen?«
Rebecka wusste nicht, was sie antworten sollte.
Ja, weshalb?, dachte sie.
»Etwas an seinem Todesfall stimmt nicht«, sagte sie endlich. »Hatte er Geld?«
»Soweit ich weiß, gerade genug für die Stromrechnung und das Essen.«
Ragnhild Lindmark überlegte eine Weile. Dann sagte sie ganz offen: »Ich weiß ja nicht, warum Sie alle diese Fragen stellen. Aber ich habe ihn auch nicht besonders gut gekannt. Er hatte hier im Dorf eine Freundin. Er sah gut aus, wissen Sie. Stattlich und noch immer schöne Locken. Sie wohnt nur drei Häuser weiter. Da lang. Ein Klinkerhaus. Gibt nur eins von der Sorte. Sie heißt Anna Jaako. Möchten Sie einen Regenschirm leihen? Jetzt gibt es sicher erst mal Schneeregen. Na, eigentlich darf ich mich nicht beklagen. Dann brauche ich ja bei den vielen Opas und Omas nicht zu schippen. Gehört zwar nicht mit zum Job, muss aber gemacht werden. Herrje, im vorigen Winter wären sie ja nicht aus dem Haus gekommen, wenn ich und mein Alter nicht für sie geschippt hätten. Da hat es ja fast jeden Tag geschneit.«
Ich muss doch verrückt sein, dachte Rebecka, als sie zu Anna Jaakos Haus weiterwanderte. Ich weiß ja nicht einmal, was ich wissen will.
Anna Jaako war zu Hause und lud sie zum Kaffee ein. Rebecka nahm dankend an und trank, so langsam sie konnte, damit Anna ihr nicht nachschenkte.
Anna sah hübsch aus. Wie eine alternde Ballerina. Die Haare leuchtend weiß in einem feschen Pferdeschwanz.
»Ich glaube nicht, dass der Bär ihn getötet hat«, sagte Rebecka, die beschlossen hatte, sich die Vorsicht zu ersparen.
Es würde ja doch Gerede geben, da könnte sie auch gleich mit offenen Karten spielen, und vielleicht würde ihr das etwas einbringen.
»Ich glaube, dass er erschossen und dann erst später von dem Bären zerrissen wurde.«
Anna Jaako erbleichte ein wenig.
»Verzeihung«, sagte Rebecka beschämt.
Anna Jaako hob abwehrend die Hand.
»Schon gut, ich bin nicht so zerbrechlich, wie ich aussehe. Aber wer hätte ihn erschießen wollen?«
»Es kann doch ein Irrtum gewesen sein«, sagte Rebecka hilflos. »Ein Jäger vielleicht. Der ihn vielleicht übersehen hatte.«
»Ist das nicht äußerst unwahrscheinlich?«
Äußerst unwahrscheinlich, dachte Rebecka. Vor allem, wenn wir bedenken, dass er einmal ins Bein und mindestens zweimal in die Brust getroffen wurde.
»Ich weiß nicht, was ich eigentlich in Erfahrung bringen will«, gab Rebecka ehrlich zu. »Kann jemand einen Grund gehabt haben, ihn töten zu wollen? Ist in der Zeit vor seinem Verschwinden etwas Besonderes passiert?«
»Nein«, sagte Anna Jaako. »Mir fällt jedenfalls nichts ein. Und Geld hatte er ja keins. Aber tanzen konnte er. Wir haben immer in der Küche getanzt.«
Bei dieser Erinnerung strahlte sie.
»Wenn Ihnen noch etwas einfällt, dann rufen Sie mich an«, sagte Rebecka und schrieb ihre Telefonnummer auf die Rückseite einer Quittung, die sie in der Tasche hatte.
Anna Jaako musterte die Quittung und las die Nummer laut vor.
»Es hat sicher nichts zu bedeuten«, sagte sie und schien laut nachzudenken. »Es ist doch schon Jahre her.«
»Was denn?«, fragte Rebecka.
»Das Einzige, was mir einfällt. Wie gesagt, es ist schon drei Jahre her«, sagte Anna Jaako. »Ich weiß es noch, weil ich an dem Tag fünfundsiebzig wurde. Na ja, er war doch der uneheliche Sohn von Hjalmar Lundbohm, aber das haben Sie vielleicht nicht gewusst.«
»Doch, doch«,
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