Denn die Gier wird euch verderben - Thriller
auf die Herdkante. Sie kann nur den Kopf schütteln.
»Na dann«, sagt er. »Dann plapperst du nicht. Sondern packst eure Sachen und verlässt Kiruna. Ich gebe euch einen Monat. Und ich warne dich. Ich bin nicht von der geduldigen Sorte.«
Jetzt kann sie sich nicht mehr auf den Beinen halten. Sinkt auf den Hocker, der neben dem Herd steht.
Fasth beugt sich über sie und faucht ihr zuletzt noch ins Ohr:
»Ihr hat das gefallen, der Lehrerin. Sie hat mich angefleht weiterzumachen. Ich musste sie erwürgen, damit sie endlich den Mund hielt.«
Dann läuft er die Treppe hinunter.
Der Topf kocht über, und Flisan kann ihn nicht von der Flamme heben. Sie kann nicht einmal aufstehen. Als Johan Albin eine Weile später kommt, sitzt sie noch immer da, Frans liegt weinend in seinem Korb, und die Klöße sind auf dem Topfboden angebrannt. Die Feuchtigkeit läuft die Fensterscheiben hinunter.
R EBECKA DURCHWÜHLTE Sol-BrittUusitalos Kartons. Sie hatte Alf Björnfot angerufen und sich vergewissert, dass der Hausdurchsuchungsbefehl noch immer Gültigkeit besaß.
»Ich will das nicht vor den Latz geknallt kriegen, wenn von Post das Gesundheitsmanagement auf mich ansetzt«, hatte sie gesagt.
»Wenn er das versucht, kann er sich bis zur Pension mit Bußgeldverfahren amüsieren«, hatte Björnfot zwischen den Zähnen hervorgestoßen.
Was ein Mensch in einem Leben alles ansammelt. Rebecka merkte, wie der Staub ihr in der Nase juckte. Fotos, Briefe, Kopien von Steuererklärungen, Versicherungsunterlagen, Kinderzeichnungen, Rechnungen, über zehn Jahre alte Reklamesendungen und Gott weiß was.
Als sie einen Brief von Sol-Britts Chef fand, der sich wegen ihrer Trinkgewohnheiten Sorgen machte, wurde Rebecka von moralischen Skrupeln befallen und musste eine Pause einlegen und mit Rotzwelpe nach draußen gehen.
»Aber es schadet doch niemandem«, sagte sie zu dem Hund, der im feuchten Schnee herumkratzte und an jeden Baum eine Kontaktanzeige pinkelte. »Ich schnüffle nur ein wenig herum. Ungefähr so wie du.«
Das Telefon brummte in ihrer Tasche. Es war Krister.
»Hallo«, sagte er mit so weicher Stimme, dass sie lachen musste. »Ich wollte fragen, ob du Vera nehmen kannst. Ich will mit den Eltern von ein paar Rowdys reden, die Marcus schikanieren. Ich habe Maja angerufen, und sie hat gesagt, dass sie das Ferienhaus eines Bekannten am Rautasälv benutzen dürfen und dass sie Marcus gern mit zum Angeln nehmen würden. Das passt doch gut. Es kann ihm auch Spaß machen. Sie bleiben nur heute tagsüber da.«
»Natürlich kannst du Vera bei mir lassen«, sagte Rebecka. »Ich will bald nach Hause. Dann kann ich auch Marcus abholen. Der Schlüssel liegt unter dem Blumentopf auf der Vortreppe.«
Krister seufzte vernehmlich am anderen Ende der Leitung.
»Unter dem Blumentopf. Warum überhaupt abschließen, wenn man den Schlüssel dann unter den Blumentopf legt? Das ist doch die erste Stelle, wo alle nachsehen. Oder in den Schuhen, die aus irgendeinem unerfindlichen Grund draußen in der Kälte stehen.«
»Ich weiß«, sagte Rebecka. »Aber ist das nicht wunderbar? Als meine Oma noch gelebt hat, wurde ja nie abgeschlossen. Wenn man wegging, stellte man den Besen vor die Tür, damit kaffeedurstige Fremde nicht unnötig von der Straße zum Haus hochzugehen brauchten. Man sollte deutlich sehen können, dass niemand zu Hause war.«
»Ich lasse den Hund rein und stelle den Besen vor die Tür«, sagte Krister lachend und verabschiedete sich.
Rebecka machte weiter, bis sie fand, was sie suchte: einen großen braunen Umschlag. Drei Bogen mit dem Aufdruck »Share Certificate«. Einen Brief in alter, etwas zittriger Schönschrift.
Ein alter Mann, dachte sie mit hämmerndem Herzen.
»Liebe Flisan«, begann der Brief.
Aber sie wollte das nicht sofort lesen. Die Handschrift war auch nicht leicht zu entziffern. Zuerst rief sie Måns an. Er meldete sich sofort. Hörte sich so glücklich an. Ihr schlechtes Gewissen versetzte ihr einen Stich. Aber sie hatte keine Zeit zum Säuseln.
»Du kennst doch absolut alle, die sich mit Firmenrecht und Wertpapierhandel befassen«, sagte sie. »Ich brauche deine Hilfe.«
F LISAN WACHT NACHTS AUF und redet mit Gott. Es hilft nichts, wie schwer sie auch schuftet – ihr Schlaf ist gestört. Sie erzählt ihrem Herrn, dass sie es nicht aushält. Sie liegt im Bett, starrt zur dunklen Decke hoch und steckt so voller Hass. Das Einzige, was ihr gelingt, ist Beten. Sie findet nicht viele Worte. Hilf mir, Gott, hilf
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