Denn die Gier wird euch verderben - Thriller
zwei Jahre zurück.
Dann sind sie plötzlich am Ziel. Wie schade. Der Zug hält an, die Türen werden geöffnet, die Menschen drängen sich, um mit ihrem vielen Gepäck auszusteigen.
Elina muss zurück in ihr Abteil.
Hjalmar Lundbohm verabschiedet sich in aller Eile, wünscht ihr alles Gute, und sie solle ja von sich hören lassen, wenn sie Probleme habe oder in der Schule etwas fehle.
Sie kann kaum mit der Wimper zucken, schon ist er verschwunden.
Das überrascht sie. Sie hatte damit gerechnet, dass sie zusammenbleiben würden, zumindest bis auf den Bahnsteig. Danach ärgert sie sich. Wenn sie eine feine Dame wäre, hätte er sie zu ihrem Abteil begleitet, ihre Tasche getragen und ihr aus dem Zug geholfen: ihr seine Hand zur Stütze gereicht, wenn sie ausgestiegen wäre.
Als sie vor dem Bahnhof steht und nach ihren zwei Koffern Ausschau hält, weicht die Verärgerung der Scham.
Was hat sie sich denn eingebildet? Dass sie Freunde sein könnten? Welches Interesse sollte er daran wohl haben?
Und wie sie geredet hat! Bei dem Gedanken wird sie rot vor Verlegenheit. Er muss sie doch für die dünkelhafteste und selbstsüchtigste kleine Lehrerin gehalten haben, die ihm je über den Weg gelaufen ist. Ihre Lobeshymne auf Ellen Key. Und dabei kennt er Ellen Key persönlich.
Ein junger Mann bringt ihre Koffer auf einem Karren. Die Koffer sind schwer, vor allem der eine. Durch den Schnee kommen sie nur langsam voran.
»Haben Sie Ziegelsteine in der Tasche, gnädiges Fräulein?«, scherzt er. »Wollen Sie ein Haus bauen?«
Ein anderer junger Mann schaltet sich ein und sagt, dann könnten sie ja zusammenziehen, aber sie hört weg.
Im Bahnhof wimmelt es nur so von Menschen. Es wird ausgeladen und eingeladen. Vor dem Bahnhofsgebäude warten Pferde und Schlitten auf Fahrgäste. Ein Mädchen steht bei einem Gaskocher und einem Kaffeekessel und verkauft Kaffee mit Gebäck.
In einer verschneiten Birke singt eine Drosselschar. Das reicht, um Elinas gute Laune zurückkehren zu lassen. Die Verlegenheit von eben verfliegt. Er ist doch bloß ein Kerl, und von denen gehen dreizehn auf ein Dutzend. Wie schön es hier ist mit der Sonne und dem vielen Schnee! Sie fragt sich, wie es wohl abends aussieht, mit der Beleuchtung des Bergwerks und den Lichtkegeln der Straßenlaternen.
Kiruna, singt es in ihr. Kiruna. Das kommt vom samischen geiron und bedeutet Schneehuhn.
Hjalmar Lundbohm verlässt sehr rasch den Zug. Er hat es eilig, denn ihm ist eine Idee gekommen, wo die neue Lehrerin wohnen könnte. Aber das muss im Handumdrehen geregelt werden, damit sie nicht durchschaut, dass er ihretwegen ein paar Pläne ändert.
Er will nicht als peinlicher alter Schwerenöter dastehen, aber er möchte sie gern wiedersehen. Und wenn er seinen kleinen Plan durchführen kann, dann wird das sehr oft der Fall sein.
S OL- B RITT U USITALOS K USINE hieß Maja Larsson. Rebecka Martinsson lehnte ihr Fahrrad an den Holzschuppen und schaute sich um.
Der Hof gehörte Maja Larssons Mutter. Man sah, dass hier ein alter Mensch wohnte, der keine Kraft mehr hatte. Das Haus war aus rosa Eternitplatten erbaut. Mehrere Platten hatten sich gelockert. Auch die Regenrinne hing lose herab. Die Fensterrahmen konnten neue Farbe vertragen. Die Vortreppe schien abgesackt zu sein und saß schräg vor der Haustür. Einige große struppige Sträucher, bei denen Rebecka auf Johannisbeeren tippte, wuchsen an der Südseite des Hauses. Reste der selbst gezimmerten Spaliere lagen darunter auf dem Boden, verrottet und von Moos bewachsen.
Rebecka klopfte, da die Klingel keinerlei Geräusch zu erzeugen schien. Maja Larsson öffnete. Rebecka wäre fast einen Schritt zurückgetreten. So eine schöne Frau. Sie war ungeschminkt, und die Fältchen in ihrem Gesicht gaben ihr ein wettergegerbtes Aussehen. Sie hatte hohe Wangenknochen und reckte den langen schmalen Hals ein wenig, als sie Rebecka erblickte. Eine majestätische Bewegung; vielleicht lag es daran, dass Rebecka fast zurückgewichen wäre. Maja Larsson mochte um die sechzig sein. Ihre schlohweißen Haare waren zu vielen dünnen langen Zöpfchen geflochten, die sie auf dem Kopf zu einem großen lockeren Knoten gebunden hatte. Ihre Augen waren hellgrau, die Augenbrauen dick und blond. Sie trug eine Herrenhose, die lose von der Hüfte herabfiel, und einen an den Ellbogen gestopften braunen Pullover mit V-Aussschnitt.
»Ja?«, fragte sie.
Rebecka begriff, dass sie geglotzt hatte. Jetzt stellte sie sich vor und brachte ihr
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