Denn die Gier wird euch verderben - Thriller
…«
»Wolltest du mich anrufen?«, fiel sie ihm ins Wort.
»Ja«, er holte tief Luft, »aber der Tag ist einfach nur so verflogen. Du weißt ja, wie das sein kann.«
Nicht um Verständnis bitten, mahnte er sich.
»Bitte, sprich«, sagte sie mit trügerisch ruhiger Stimme. »Denn ich weiß nicht so recht, was ich sagen soll.«
»Äh«, sagte er. »Calle von Post war bei mir und … tja, bot an, die Voruntersuchung zu übernehmen. Sie hat ja in Kurravaara gewohnt, und du wohnst auch da, also … du verstehst schon.«
»Nein.«
»Na hör mal, Rebecka. In dem Dorf kennen sich doch sicher alle? Früher oder später gibt es dann Ärger.«
»Aber andere Vergehen in Kurravaara kann ich übernehmen? Wenn jemand mit dem Schneemobil zu schnell fährt, Bootsmotoren stiehlt, einbricht?«
»Bei diesem Mord hier sind die Medien zu tausend Prozent dabei. Und beim kleinsten Patzer fressen sie uns zum Frühstück. Das weißt du doch.«
Schweigen am anderen Ende der Leitung.
»Hallo«, sagte er endlich.
»Es ist besser, wenn ich nichts sage«, sagte sie.
Sie klang traurig. Er wünschte, sie hätte wütend geklungen.
»Was hätte ich denn tun sollen?«, fragte er.
»Mir vertrauen vielleicht. Darauf vertrauen, dass ich den Fall übergebe, wenn es zu Problemen kommt. Genau wie bei jedem anderen Fall. Und nicht den Schwanz einziehen, weil es viel Presse gibt. Das war mein Mord. Du hast ihn weggegeben, ohne mich auch nur anzurufen.«
Er fuhr sich mit der Hand über das Gesicht und versuchte, das Geräusch seines Atems zu dämpfen. Dabei stieß er ein richtiges Blauwalschnaufen aus.
Warum hatte er sie nicht angerufen?, fragte er sich. Sie war seine mit Abstand beste Staatsanwältin. Er hatte sie noch dazu angefleht, unter ihm zu arbeiten. Er durchforstete sein Gewissen.
Von Post war zu ihm gekommen. »Jetzt bin ich an der Reihe«, hatte er gesagt. Dann hatte er diese Nummer mit der Befangenheit durchgezogen. In dem Moment hatte das plausibel geklungen. Zudem hatte er bescheiden gesagt, dass ein verzwickter Steuerfall, bei dem er Alf Björnfot half, ihn einfach überforderte. Und den, schlug er vor, könne doch Rebecka übernehmen. »Da hat sie was zu beißen«, hatte von Post gesagt. »Mit Steuerrecht kennt sich doch niemand so gut aus wie sie.«
Und er hatte Ja gesagt. Aber warum hatte er sie dann nicht direkt angerufen? Weil er eigentlich schon in diesem Moment gewusst hatte, dass er sich falsch verhielt. Er hatte den Konflikt mit von Post gescheut, hatte ihm wohl auch einen Knochen zuwerfen wollen. Hatte gedacht, dass es für Martinsson doch nicht so wichtig wäre. Gedacht, dass es nett sein könnte, gemeinsam an dieser Steuersache herumzutüfteln. Von Post war immer so verdammt unzufrieden. Er hatte gedacht, dass … Er hatte wohl überhaupt nicht nachgedacht.
»Aber jetzt ist es nun mal, wie es ist«, sagte er.
Er klang quengelig. Er hörte es selbst und versuchte es mit einem anderen Tonfall.
»Aber du, ich habe in Luleå eine Steuersache, auf die jemand Kompetentes einen Blick werfen müsste. Was sagst du dazu?«
Kaum dass er seine eigenen Worte hörte, bereute er sie auch schon.
»Du machst wohl Witze«, sagte Rebecka langsam. »Hast du nicht mal genug Menschenverstand, um dich zu schämen? Nein, ich kümmere mich nicht um deine Ladenhüter. Aber ich habe noch sieben Wochen Urlaub gut. Die nehme ich ab sofort. Du oder von Post, ihr könnt morgen meine Gerichtstermine übernehmen und euch holen, was auf meinem Schreibtisch liegt.«
»Das kannst du nicht …«
»Wag ja nicht, Nein zu sagen«, knurrte sie. »Dann kündige ich.«
Er wurde wütend.
»Sei nicht kindisch«, rief er.
»Ich bin nicht kindisch«, schrie sie ihn an. »Ich bin erwachsen und wütend. Und verdammt enttäuscht von dir. Feigling! Wer hätte gedacht, dass du von Posts Schwanz lutschst?«
Er rang nach Luft. Ein stählerner Reifen schien sich um seinen Brustkorb zu spannen.
»Was … das ist doch … jetzt lege ich auf!«, schrie er zurück »Du kannst mich anrufen, wenn du dich beruhigt hast.«
Und dann drückte er sie weg.
Er knallte das Telefon auf den Schreibtisch. Starrte es eine Zeitlang an. Hoffte, sie werde zurückrufen. Dann würde er ihr sagen, sie müsse sich verdammt noch mal zusammenreißen.
»Reiß dich verdammt nochmal zusammen«, brüllte er das Telefon an und drohte ihm mit dem Finger.
Er setzte sich und wühlte ein wenig in seinen Papieren. Konnte sich einfach nicht erinnern, woran er vorher gearbeitet hatte.
Für
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