Denn ewig lebt die Liebe
Geschwätz, anstatt dich in Ruhe zu lassen." Er tat zerknirscht, was noch nie seine Wirkung bei Claudia verfehlt hatte.
"Musst du immer auf Thomas anspielen?" Claudia errötete, was sie nur noch reizvoller aussehen ließ. Sie warf ihre langen Haare zurück, auch eine Verlegenheitsgeste, wie ihr Vater wußte. "Ich will Thomas nicht. Er ist ein lieber Mann, vom Erfolg verwöhnt, denn er hat aus dem doch etwas heruntergekommenen Haus eine moderne Apotheke gezaubert und es in kurzer Zeit zu Wohlstand gebracht."
"Siehst du."
"Gar nichts sehe ich, Vater. Du wärest sicher nicht sehr erfreut, wenn ich dir einen Apotheker als Schwiegersohn bringen würde. Wer sollte sich dann um das Gut kümmern, wenn ich, statt nur stundenweise, von morgens bis abends am Ladentisch stehen müßte?"
Der Gutsbesitzer nickte vor sich hin. "Damit hast du schon Recht, Liebes", gab er zu. "Dennoch ist mir ein Apotheker immer noch lieber als ein Mitgiftjäger."
"Jetzt wirst du frech, Vater", brauste Claudia auf. "Du wirst mir doch noch soviel Menschenkenntnis und klaren Verstand zugestehen, dass ich die Spreu vom Weizen trennen kann. Ich mag Thomas, doch er ist kein Mann zum heiraten. Bis jetzt hat er es jedenfalls noch nicht geschafft, mich zu faszinieren."
"Und du musst unbedingt einen Mann finden, der dich fasziniert. Mädchen, was soll nur aus dir werden? Kein Mann wird dich auf die Dauer faszinieren, dir imponieren können. Du bist wie deine verstorbene Mutter. Auch sie hat immer versucht, mit ihrem Verstand zu lieben, den sie zweifellos im Übermaß hatte."
Claudia blinzelte hastig die Tränen weg, die ihr in die Augen gestiegen waren bei dem zärtlichen Klang der Stimme ihres Vaters. Er hatte seine Frau mehr geliebt als sein eigenes Leben. Und als sie damals so plötzlich gestorben war, da hatte er die Welt nicht mehr verstanden.
"Ist das denn so falsch?"
Michael schüttelte kaum merklich den Kopf. "Nicht falsch, mein großes Mädchen", fuhr er in belehrendem Ton fort, "es ist gar nicht durchführbar. Lieben kannst du nur mit dem Herzen. Und wenn eines Tages der Richtige kommt, dann wird auch dein Verstand ausgeschaltet sein und du wirst ganz vergessen, das Für und das Wider gegeneinander abzuwägen."
"So wie du das sagst klingt es beängstigend. Ich habe meine erste Liebe schon hinter mir", fügte sie mit heiserer Stimme hinzu. "Bei Achim habe ich es sogar geschafft, meinen Verstand zumindest teilweise abzuschalten."
"Ich weiß." Der Mann biss sich auf die Lippen. Nun hatte er versehentlich einen wunden Punkt bei seiner Tochter berührt. Immer wieder vergaß er, dass auch Claudia schon einmal in ihrem Leben geliebt hatte.
"Bitte, verzeih mir, Claudia. Ich wollte dir nicht weh tun. Ich dachte nur, es sei an der Zeit, dass du dir Gedanken über deine Zukunft machst." Er furchte die Stirne, was ihn noch etwas älter aussehen ließ als er ohnehin war.
"Die Zukunft ist bis jetzt noch namenlos, Vater", gab Claudia gleichmütig zurück. "Und ich habe auch nicht vor, mich so schnell wie nur möglich in irgend etwas zu stürzen, nur damit du endlich den ersehnten Erben bekommst."
"Das ist nicht fair, Mädchen. Ich habe niemals darüber gesprochen, dass ich mir einen Erben wünsche", widersprach der Mann, während sein Oberkörper vor Schmerzen leicht nach vorne fiel.
"Du wirst eines Tages den gesamten Besitz erben, und da du die letzte von unserer Familie bist, wird die Verantwortung bei dir liegen, was aus all dem herrlichen Land werden soll. Vielleicht willst du es ja auch verkaufen und das ganze Anwesen wird in viele kleine Teile zerschnitten." Jetzt klang seine Stimme bedrückt.
"Du weißt schon, wo du mich am empfindlichsten treffen kannst, Vater." Claudia wandte sich hastig ab, weil erneut Tränen in ihren großen blauen Augen standen. Sie mochte es nicht, wenn der Vater von einer Zukunft sprach, an der er nicht mehr teilhaben würde. Das tat ihr unendlich weh.
Und doch durfte sie ihm das nicht zeigen. Er war ein früh gealterter, schwerkranker Mann, der überzeugt war davon, dass er nicht mehr lange zu leben hatte. Seit dem Tod seiner über alles geliebten Frau hatte ihn der Mut verlassen, mit beiden Händen die Tage zu ergreifen, die das Schicksal ihm noch zubilligte.
Claudia wußte das, und sie versuchte, was sie nur konnte, um ihn davon zu überzeugen, dass das Leben weitergehen musste, dass es auch im Spätherbst noch immer Sonnentage geben konnte.
"Tut mir Leid, mein Mädchen", bat der Mann bedrückt. "Ich habe dir
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