Denn Gruen Ist Der Tod
zu machen, in ihrem alten College zu übernachten, wenn es ein freies Zimmer gab. Sie hielt vor einer Ampel und war erleichtert, als sie in den Rückspiegel sah: Die Straße hinter ihr war leer. Sie legte den Kopf für einen Moment auf das Lenkrad und versuchte sich wieder zu sammeln.
Ein Schlag an die Scheibe ließ sie auffahren und als sie den Kopf vom Lenkrad hob, schrie sie laut auf. Der Fensterreiniger, der ungebeten begonnen hatte, die Windschutzscheibe einzuseifen, sprang überrascht zurück. Er war alle möglichen Reaktionen gewohnt, aber er konnte sich nicht erinnern, dass je eine Fahrerin derart geschrien hätte. Er sah ihr einen Augenblick lang ins Gesicht – sie starrte ihn nur entgeistert an. Er wusste nicht, ob sie verrückt war oder einfach nur Angst hatte. Als die Ampel auf Grün sprang, fuhr sie schnell davon und das Fensterleder, das er auf der Scheibe liegen gelassen hatte, flog im hohen Bogen auf die Straße. Als er es wieder einsammeln wollte, hielt ein anderes Auto vor der Ampel. Er drehte sich um und gestikulierte mit seinem Fensterleder, aber der Fahrer hatte kein Interesse. »Wie schade!«, dachte er. Er putzte gern die alten Klassiker. Ihre Besitzer waren meist besonders großzügig.
Sam war froh, Marcia allein im Labor vorzufinden. Obwohl sie noch sehr aufgeregt war, wollte sie die Geschichte erst einmal für sich behalten, weil sie wusste, dass Marcia furchtbar erschrecken und sich Sorgen machen würde.
Marcia war so in ihre Arbeit vertieft, dass sie Sam erst bemerkte, als sie neben ihr stand.
»Und, wie ging es mit deinem blauäugigen Einsneunziger vom Medizineressen weiter?«
Marcia lächelte sie an. »Es war fantastisch! Ich habe ihn mit dem Versprechen, ihm meine Sammlung seltener Faserproben zu zeigen, in meine Wohnung gelockt. Dann ist ihm schlecht geworden und er hat meinen neuen Teppich ruiniert und ist auf dem Sofa zusammengeklappt. Ich habe ihn seither nicht wiedergesehen.«
Sam versuchte, sich das Lachen zu verkneifen. »Ach ja, wie gewonnen, so zerronnen!«
Marcia runzelte die Stirn. »Ich würde ja gerne einmal gewinnen. Aber dich habe ich in der letzten Zeit auch nicht so oft mit einem Traummann an der Hand gesehen, wo wir schon beim Thema sind.«
»Tja, dann warte mal ab. Ich habe neulich eine Postkarte von einer alten Flamme bekommen, von Liam.«
Marcia war skeptisch. Sie hatte Sam noch nie mit einem Mann gesehen, was – angesichts der Tatsache, dass sie eine intelligente und attraktive Frau war – eigentlich überraschend war. »Na, wir werden ja sehen!«
Sam lächelte. »Ganz sicher bald. Danke übrigens für die Infos über die Knoten.«
»Du hast keine Ahnung, was für ein Opfer ich für diese Informationen noch bringen muss.«
Sam wollte im Moment nicht nachbohren, was das genau zu bedeuten hatte. »Ich habe eine Weile geglaubt, wir hätten eine heiße Spur.«
»Also hast du schon von den Fingerabdrücken gehört?«
Sam nickte. »Farmer führt sich auf wie ein Hund mit zwei Schwänzen. Und ich war so sicher.«
»Kann schon mal vorkommen.«
»Aber warum ein chirurgischer Knoten und kein Weberknoten oder Omaknoten oder sonst was?«
Marcia zuckte mit den Schultern und holte von einem Regal an der gegenüberliegenden Wand einen Bericht. »Ich würde die Hoffnung noch nicht aufgeben. Ich habe möglicherweise gute Nachrichten für dich.«
»Ihr wurde etwas injiziert!«
»Bin ich nicht ein schlaues Mädchen? Ich habe Curare-Abbauprodukte in ihrer Leber gefunden.«
»Curare? Ich dachte, das verwendet man seit Agatha Christie nicht mehr?«
»Offensichtlich doch. Es gibt es sogar in Cambridge. Ich habe den Toxikologen die Proben von James überprüfen lassen und weißt du was? Sie haben Spuren des Gifts in dem zersetzten Gewebe gefunden!«
Sam war erfreut, das zu hören, aber eigentlich stellten sich dadurch nur neue Fragen, ohne dass sie die alten schon hätte beantwortet können. »Aber warum hat er Curare benutzt? Warum verwendet er überhaupt eine Droge? Beide Opfer wurden erdrosselt, nicht vergiftet.« Sam überlegte und fand schnell die Antwort auf ihre eigene Frage: »Curare ist nicht unbedingt tödlich, nicht wahr? Es kann doch bei entsprechend geringer Dosierung auch zu einem Lähmungszustand führen.«
»Kann es, aber dazu muss man sich schon sehr gut auskennen. Es ist nur ein schmaler Grat zwischen Lähmen und Töten.«
»Also lebten die Opfer noch, als er sie erdrosselt hat. Sie waren lediglich gelähmt. Das ist ja ein absoluter
Weitere Kostenlose Bücher