Denn mein ist deine Seele: Psychothriller (German Edition)
sichtbar unter einer Straßenlaterne stand. Trotzdem konnte sie die verschiedenen Formen in Barbaras außergewöhnlicher Frisur erkennen. So viel Zeit und Mühe … dachte sie wirklich, das sähe gut aus? Architektonisch beeindruckend, keine Frage. Aber gut? Dass etwas viel Arbeit kostete, hieß noch nicht, dass es diese Arbeit auch wert war.
»Hallo, Barbara.«
»Ich hoffe, Sie sind stolz auf sich.«
Eliza überlegte. »Ja, in gewisser Weise. Aber eher auf Walter.«
»Sie haben kein Recht, auf ihn stolz zu sein. Er hat es nicht für Sie gemacht.«
Das wusste Eliza. »Trotzdem hat er mit dieser Erklärung am Ende das Richtige getan. Zwei Familien wissen jetzt, was mit ihren Töchtern geschehen ist. Mir tun nur die anderen leid.«
»Welche anderen? Walter hatte keine anderen Opfer, und für die beiden Morde, die er gestanden hat, hätte er nie die Todesstrafe bekommen, wenn nicht …« Barbara gab immer noch die blindwütige Fürsprecherin, die ihre Argumente wie eine Horde geflügelter Affen loshetzte. Wenn sie doch nur hören könnte, was andere in ihren seltenen Pausen zum Luftholen sagten. Holly, Maude, Dillon, Kelly. Nun besaßen Elizas Geister alle einen Namen und ein Gesicht. Ob ihre Besuche damit auch ein Ende fanden?
»Mir tun die Familien leid, die ihre Hoffnung darauf gesetzt haben, Walter wäre die Antwort auf ihre quälenden Fragen. Für einen Serienmörder war er nicht gerade erfolgreich, oder?«
Sie hatte einen Scherz machen wollen, brachte Barbara aber nur dazu, erneut loszulegen.
»Im klassischen Sinne war er überhaupt kein Serienmörder. Ich bin überzeugt, dass er an einer Art vorübergehender Unzurechnungsfähigkeit litt …«
Ein weniger freundlicher Mensch hätte Barbara an dieser Stelle vielleicht ausgelacht. Eliza lachte nicht, aber sie konnte das Gerede auch nicht mehr ertragen. »Es tut mir leid, Barbara.«
»Weil Sie nicht das Richtige getan haben?«
»Nein, weil Sie jemanden verloren haben, den Sie geliebt haben.«
»So war das zwischen uns nicht.« Je heftiger Barbara sofort jede romantische Bindung zu Walter abstritt, desto mehr war Eliza davon überzeugt, dass eine bestanden hatte. Aber wie ihre Eltern gesagt hätten: Wenn es um Barbara ging, war Barbara die Expertin.
»So habe ich das nicht gemeint. Sie haben sich etwas aus ihm gemacht. Das finde ich nett.«
»Sie haben sich mit Sicherheit nichts aus ihm gemacht. Sie haben ihn sterben lassen. Weil er die Wahrheit über Sie kannte, dass Sie feige sind und eine Lügnerin, und jetzt, wo er tot ist, wird das nie jemand erfahren. Deshalb haben Sie ihn sterben lassen. Um Ihre eigene Schande zu begraben.«
Jetzt wurde Eliza wütend, und instinktiv war sie in solchen Situationen immer geflohen. Doch nun sammelte sie stattdessen erst einmal ihre Gedanken. Das Leben läuft nicht getaktet , hatte ihr Vonnie einmal erklärt. Es steht niemand mit einer Stoppuhr neben dir. Lass dir Zeit. Barbara hatte keine Macht über sie. Wie sich herausgestellt hatte, interessierte sich nach all den Jahren niemand für Elizabeth Lerner. Sie und Peter hatten Iso von Walter erzählt, und sie würden Albie von ihm erzählen, wenn er älter war. Durch das Geheimnis fühlte Iso sich interessanterweise wichtig, auf eine gute Art, auch wenn sie keine Parallelen zwischen ihren Heimlichkeiten und denen ihrer Mutter erkannte und nicht einsehen wollte, dass ihre nicht jugendfreien SMS einer Spur von Brotkrumen den Sucker Branch entlang glichen, einem weiteren Mädchen, das vom Weg abkam und in eine Lage geriet, die es nicht kontrollieren konnte. Iso war einfach stolz, dass ihre Eltern erkannten, dass sie erwachsener war als Albie.
»Ach, Barbara, wenn Sie das so sehen, können Sie immer noch Jared Garrett anrufen, ihm den anderen Brief schicken, den Walter Ihnen diktiert hat, und ihn veröffentlichen lassen. Warum haben Sie das nicht getan?«
»Walter wollte es nicht.« Die Antwort kam schroff und widerwillig. »Vielleicht hole ich das eines Tages nach. Ich mache, was ich für richtig halte, nicht was leicht ist oder einen Vorteil bringt.«
»Das ist eine gute Einstellung«, erwiderte Eliza ehrlich.
Sie ging weiter. Im nächsten Augenblick wurde sie von Barbaras gedrungenem, trübsinnig wirkendem Auto überholt. Eliza fragte sich, warum sich Barbara mit ihren Prinzipien und dem Nummernschild, das zur Rettung der Chesapeake Bay aufrief, nicht für einen Hybrid entschieden hatte. Everybody wants to rule the world – aber immer nur mit Sicht auf das, was
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