Denn mein ist deine Seele: Psychothriller (German Edition)
ich lüge.«
»Genau das Gegenteil.«
Schlimmer war, dass er das Unnatürlichste der Welt von ihr verlangte, nämlich ihre Erinnerungen an diese Nacht noch einmal durchzugehen. Was, wenn sie unabsichtlich doch einen Meineid geleistet hatte? Wenn sie sich geirrt hatte, weil sie diese Nacht nicht noch einmal durchleben wollte? Was, wenn – und dann erkannte sie es. Sie sah sich auf der Landstraße mit Iso und Albie, als sie mit hämmerndem Herzen das Auto wieder auf die richtige Spur brachte. Hinter ihnen verschwand das geisterhafte Reh, dessen weißer Spiegel das Bild wachgerufen hatte, das sie begraben wollte. Sie war auf den Fahrersitz gerutscht, um den Schlüssel umzudrehen und etwas Wärme und Musik zu haben, dann hatte sie aufgeblickt, als sie auf ihren eigenen Sitz rutschte …
Vor Erleichterung kamen ihr beinahe die Tränen.
»Walter, ich konnte dich sehen. Ich habe dich im Rückspiegel gesehen.«
»Da redest du dir ja was Schönes ein. Vielleicht kannst du doch lügen.«
»Ich lüge nicht. Ich habe aufgeblickt und euch beide gesehen. Habe ich gesehen, wie du sie gestoßen hast? Nein, aber das habe ich auch nie behauptet. Ich habe gesehen, wie du sie verfolgt hast. Du warst ihr dicht auf den Fersen, direkt hinter ihr. Wenn sie abgestürzt wäre, wie du behauptest, wärst du hinterhergefallen.«
Walters Blick glitt zur Seite. Seine Augen waren das Verräterische – sie waren es, die nicht zu seinem sonst attraktiven Gesicht passten. Klein und schmal waren sie immer auf den falschen Punkt gerichtet. Walter scheute, wenn ein direkter Blick gefordert war, starrte sein Gegenüber in unpassenden Momenten an und stierte auffällig auf Busen und Beine.
»Aber meine Version ist glaubwürdig. Sie würde eine neue Bewertung rechtfertigen.«
»Ich werde für dich nicht lügen.«
»Es wäre für deine Kinder und deinen Mann. Du würdest für sie lügen.«
»Wenn es nötig wäre, würde ich es vielleicht tun. Aber das hier ist etwas anderes. Das sollte sogar dir klar sein.«
Er streckte eine Hand durch das Gitter, und genauso schnell war der Deputy aufgesprungen und stand Schulter an Schulter neben Eliza. Er hätte sich keine Sorgen machen müssen. Sie hatte nicht vor, sich Walter zu nähern, aber es fiel ihr schwer, sich nicht gegen Deputy Walter fallen zu lassen und sich an ihm festzuhalten.
»Ich liebe dich«, sagte Walter, und der Deputy hörte ihn trotz der Kopfhörer oder las ihm von den Lippen. Angewidert schüttelte er den Kopf.
»Walter, entweder lügst du, oder du hältst das für die Wahrheit. So oder so ist es traurig.«
Sie ging zum Schreibtisch des Deputys, nahm ihre Sachen und wandte sich wieder um. »Die anderen«, sagte sie. »Für die Angehörigen wäre es ein Trost, wenn du alles gestehen würdest. Ich wünschte, du würdest es tun.«
»Tja, das lag in deiner Hand.« Genauso bockig wie Iso.
»Nein, immer nur in deiner. Zugegeben, ich hätte gern die Heldin gespielt. Ich wollte mit allen Namen und Einzelheiten hier rausgehen. Ich dachte, wenn ich Klarheit über die anderen Mädchen schaffe, kann ich mir vielleicht endlich wegen Holly vergeben.«
»Du hättest sie retten können.« Seine grünen Augen funkelten. Was geschah, wenn die Schöne das Biest nicht befreite, wenn sie es nicht von seinem Fluch erlöste, es kannte, aber trotzdem nicht lieben konnte?
»Das habe ich damals nicht begriffen. Ich wünschte, ich hätte es, aber ich habe es nicht. In dieser Nacht konnte ich sie nicht retten, Walter. Was ich gesehen habe, ist vielleicht anfechtbar, aber nicht, was ich gehört habe. Du hast sie den Berg hinuntergestoßen. Weil sie sich gewehrt hat.«
»Das stimmt«, sagte er triumphierend. »Du lebst noch, weil du schwach bist. Weil du es nicht wert warst, dich umzubringen. Nach dem Sex wollte ich dich nur noch nach Hause bringen, weil es nicht gut war, es war überhaupt nicht gut. Wie gefällt es dir, das zu wissen? Du lebst, weil du nichts Besonderes bist, weil ich dich nicht wollte. Dich hatte ich nicht ausgesucht, dich hatte ich nur am Hals. Wie ist es, das zu hören?«
Eliza war klar, dass er keine Antwort erwartete, trotzdem nahm sie die Frage ernst. »Na ja, ich bin wirklich froh, dass ich lebe, also bin ich wohl auch über den Grund froh, egal wie er aussieht.«
Bereit zum Gehen, nickte sie dem Deputy zu. Wenige Schritte vor der Tür ließ sie ihre Handtasche fallen, knallte sie regelrecht hin, dass ihr ganzer Inhalt, ein bemerkenswertes Sammelsurium, das eindeutig nach Mutter
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