Denn niemand hört dein Rufen
dass Easton neben Aldrich an der Bar gesessen habe.
Als Robinson den Zeugenstand verließ, wandte sich Emily an den Richter: »Euer Ehren, die Zeugenbefragung der Anklage ist abgeschlossen.«
Der Saal ist heute brechend voll, dachte sie, als sie wieder ihren Platz am Tisch der Staatsanwaltschaft einnahm. Sie entdeckte ein paar bekannte Gesichter im Publikum, Leute, deren Namen häufiger in den Klatschspalten der New York Post auftauchten. Wie gewöhnlich wurde die gesamte Verhandlung von Fernsehkameras aufgenommen. Gestern war Emily auf dem Gang von Michael Gordon, dem Moderator von Vor Gericht , aufgehalten worden. Er hatte ihr wegen ihrer Prozessführung Komplimente gemacht und sie gebeten, als Gast in seiner Sendung aufzutreten, sobald der Prozess vorüber wäre.
»Ich weiß nicht recht«, hatte sie ihm geantwortet, doch später hatte ihr Ted Wesley zugeredet. Seiner Ansicht nach werde es ihrer Reputation gewaltigen Auftrieb geben, wenn sie als Gast in einem landesweit ausgestrahlten Programm auftrete. »Emily, lassen Sie sich von mir einen guten Rat geben, nehmen Sie jede Chance auf positive Publicity mit, die sich Ihnen bietet.«
Wir werden sehen, dachte sie und wandte den Kopf zum Tisch der Verteidigung. Gregg Aldrich trug heute einen gut geschnittenen dunkelblauen Nadelstreifenanzug, ein weißes Hemd und eine blau-weiß gemusterte Krawatte. Seine Gesichtsfarbe war kräftiger als am gestrigen Tag, und sie fragte sich, ob er vielleicht in der Früh joggen war. Er machte auch einen zuversichtlicheren Eindruck als gestern. Ich weiß nicht, woher du diese Zuversicht nimmst, dachte sie mit einer Spur von Angst.
Heute saß seine Tochter Katie in der ersten Reihe, direkt hinter ihrem Vater. Sie hielt sich sehr aufrecht, ihre Miene war ernst, und ihre blonden Haare fielen ihr weich auf die Schultern. Emily wusste, dass sie erst vierzehn war, doch so, wie sie da saß, wirkte sie erstaunlich reif. Sie ist ein sehr hübsches Mädchen, dachte Emily nicht zum ersten Mal. Ob sie ihrer Mutter ähnlich sieht?
»Mr Moore, rufen Sie Ihren ersten Zeugen«, sagte Richter Stevens.
In den folgenden drei Stunden rief Moore sowohl Leumundszeugen als auch Tatsachenzeugen auf. Die erste Zeugin, Loretta Lewis, hatte in dem Haus gewohnt, in dem Gregg aufgewachsen war. »Einen netteren jungen Mann kann man sich nicht vorstellen«, sagte sie mit vor Rührung heiserer Stimme. »Er tat wirklich alles für seine Mutter. Es ging ihr nie richtig gut. Er war immer so verantwortungsbewusst.
Ich erinnere mich zum Beispiel an einen Winter, als einmal der Strom im ganzen Haus ausfiel. Da ist er von Wohnung zu Wohnung gegangen, es waren zwanzig im ganzen Haus, und hat überall Kerzen vorbeigebracht, damit die Leute wenigstens nicht im Dunkeln saßen. Und er hat sich auch noch erkundigt, ob sie es genügend warm hatten. Am nächsten Tag hat mir seine Mutter erzählt, dass er die Decken von seinem eigenen Bett genommen und sie nach unten zu Mrs Shellhorn gebracht hat, weil ihre so dünn waren.«
Eines von Katies ehemaligen Kindermädchen erzählte den Geschworenen, dass ihr noch nie ein so hingebungsvoller Vater begegnet sei. »Die meisten Familien mit zwei Elternteilen widmen ihren Kindern nicht so viel Zeit und Liebe, wie dies Mr Gregg gegenüber Katie getan hat«, bezeugte sie.
In vier von den fünf Jahren, die Natalie und Gregg verheiratet waren, hatte sie bei ihnen gearbeitet. »Natalie hat sich gegenüber Katie mehr wie eine Freundin als wie eine Mutter verhalten. Wenn sie zu Hause war, ließ sie Katie abends länger aufbleiben, als sie das normalerweise durfte, oder wenn sie ihr bei den Hausaufgaben half, dann sagte sie ihr einfach die Ergebnisse vor, statt sie die Aufgabe selbst lösen zu lassen. Gregg hat ihr zwar öfter gesagt, dass sie das nicht tun soll, aber er hat sich deswegen nicht aufgeregt.«
Leo Kearns, der neue Agent, zu dem Natalie vor ihrem Tod gewechselt war, trat überraschend als Zeuge der Verteidigung auf. Er stand zwar auf der Zeugenliste, doch Emily hatte nicht erwartet, dass Richard ihn tatsächlich aufrufen würde. Kearns erklärte, dass er und Gregg grundsätzlich verschiedener Ansicht gewesen seien, was den weiteren
Verlauf von Natalies Karriere betraf. »Natalie war siebenunddreißig«, sagte er. »Sie war für einen Oscar als beste Schauspielerin nominiert gewesen, doch das war schon drei Jahre her. Es gibt nicht genug Leute, die sich Stücke von Tennessee Williams ansehen, um Natalie ganz oben an der Spitze
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