Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Denn niemand hört dein Rufen

Denn niemand hört dein Rufen

Titel: Denn niemand hört dein Rufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
Vom Netzwerk:
letzten Monate in der Suppe oder dem Sandwich mittags am Schreibtisch und dem Essen zum Mitnehmen am Abend bestanden hatten.
    Das Essen war köstlich, und die Unterhaltung war angenehm und amüsant. Tim Moynihan war ein vortrefflicher Anekdotenerzähler und gab viele witzige Geschichten zum Besten über das, was sich in seiner Serie hinter den Kulissen abspielte. Emily lachte und meinte irgendwann, dies sei viel besser als das, was man in den Klatschspalten zu lesen bekomme. Sie fragte, wie er und Ted sich kennengelernt hätten.

    »Wir waren beide Zimmergenossen an der Carnegie Mellon University«, erklärte Wesley. »Tim hat Schauspiel als Hauptfach studiert, und ob Sie’s glauben oder nicht, ich habe auch ein paarmal in Stücken mitgewirkt. Meine Eltern waren strikt dagegen, dass ich Schauspieler wurde. Ihrer Meinung nach würde es damit enden, dass ich irgendwann am Hungertuch nagen müsste. So bin ich dann bei Jura gelandet, aber ich glaube, dass mir das bisschen Schauspielpraxis später im Gerichtssaal sehr wohl geholfen hat, sowohl als Strafverteidiger als auch später als Ankläger.«
    »Emily«, sagte Moynihan, »Nancy und Ted haben uns vorher eingeschärft, dass Sie heute Abend frei haben und nicht über Ihren Prozess reden müssen. Aber ich muss gestehen, dass Barbara und ich ihn jeden Abend in Vor Gericht verfolgen. Als ich die Aufnahmen von Ihnen im Gerichtssaal sah, dachte ich sofort, dass Sie eine sehr erfolgreiche Schauspielerin hätten werden können. Sie haben eine ungeheure Präsenz und Autorität, und da ist auch noch etwas anderes – so, wie Sie die Fragen stellen und wie Sie auf die Antworten reagieren, gelingt es Ihnen, dem Zuschauer unglaublich viel zu vermitteln. Ich möchte Ihnen ein Beispiel nennen. Der vernichtende Blick, den Sie bei Eastons Vernehmung einige Male Gregg Aldrich zugeworfen haben – das sprach Bände.«
    »Ich weiß nicht, ob mir Ted gleich den Kopf abreißen wird, wenn ich davon anfange«, sagte Barbara Moynihan etwas zögernd, »aber, Emily, es war bestimmt nicht sehr erfreulich für Sie, als Michael Gordon bekanntgegeben hat, dass er Gregg Aldrich für unschuldig hält.«
    Emily spürte, dass Marion Rhodes, die Psychologin, ihre Antwort mit gespannter Aufmerksamkeit erwartete. Obwohl
es sich nur um ein geselliges Beisammensein handelte, war sie sich nur allzu bewusst, dass ihr Boss, der Staatsanwalt von Bergen County, ebenfalls am Tisch saß.
    Sie wählte sorgfältig ihre Worte. »Ich würde und könnte nicht als Anklägerin bei diesem Prozess auftreten, wenn ich nicht fest davon überzeugt wäre, dass Gregg Aldrich seine Frau getötet hat. Die Tragödie für ihn, seine Tochter und für Natalies Mutter besteht darin, dass er Natalie wahrscheinlich sehr geliebt hat. Aber gewiss dürfte Dr. Rhodes in ihrer langen Berufslaufbahn viele Male erlebt haben, dass ansonsten unbescholtene Menschen zu schrecklichen Dingen fähig sind, wenn sie sehr eifersüchtig oder sehr traurig sind.«
    Marion Rhodes nickte zustimmend. »Sie haben völlig Recht, Emily. Nach allem, was ich gelesen habe, hat Natalie Raines ihren Mann immer noch geliebt. Wenn die beiden zu einem Therapeuten gegangen wären und die Probleme bearbeitet hätten, die durch die häufigen Trennungen entstanden waren, dann hätten sich die Dinge vielleicht ganz anders entwickelt.«
    Ted Wesley blickte seine Frau an und sagte mit überraschender Offenheit: »Dank Marion ist genau das bei uns geschehen. Sie hat uns entscheidend geholfen, als Nancy und ich vor vielen Jahren eine schwierige Phase durchgemacht haben. Was hätten wir nicht alles weggeworfen, wenn wir uns damals getrennt hätten. Unsere Jungs wären nie geboren worden. Wir stünden nicht kurz davor, nach Washington umzuziehen. Außerdem ist Marion nach der Therapie unsere gute Freundin geworden.«
    »Wenn Menschen ein seelisches Trauma oder einen starken Konflikt in einer Beziehung erleben, kann es manchmal sehr hilfreich sein, mit einem guten Therapeuten zu arbeiten«,
sagte Rhodes. »Natürlich können nicht immer sämtliche Probleme gelöst werden, und nicht alle Beziehungen können oder sollten überhaupt gerettet werden. Doch es kommt immer wieder vor, dass es gut ausgeht.«
    Emily hatte das unangenehme Gefühl, dass Marion Rhodes diese Bemerkungen an sie gerichtet hatte. Könnte es sein, dass Ted diesen Abend arrangiert hatte, nicht um sie mit einem Mann, sondern um sie mit einer Therapeutin bekanntzumachen? Überraschenderweise spürte sie keine

Weitere Kostenlose Bücher