Denn niemand hört dein Rufen
Freitag. Deine Antworten haben vollkommen glaubwürdig gewirkt. Du hast ja gehört, was Richter Reilly in meiner Sendung gesagt hat: Wenn er selbst sich mit einem Fremden an der Bar unterhalten würde, dann könnte auch irgendwann sein Wort gegen das des anderen stehen, wenn dieser behauptet, er habe ihn zum Mord an seiner Frau angestiftet. Im ganzen Land hat das Publikum Reillys Bemerkung gehört, und ich bin mir sicher, dass sehr viele Leute da draußen das Gleiche gedacht haben.«
Mike hatte kurz geschwiegen und dann hinzugefügt: »Das war eine Situation, in der jeder gegen jeden irgendwelche unüberprüfbaren Anschuldigungen vorbringen kann. Und du musst bedenken, dass Jimmy Easton für seine Aussage gegen dich eine satte Belohnung bekommt. Er muss sich keine Sorgen mehr machen, dass er im Gefängnis alt wird.«
Ich habe Mike nur auf einen Punkt hingewiesen, den er dabei vergessen hat, erinnerte sich Gregg. Die Frau des Richters wurde nicht erschossen aufgefunden.
Zuversicht , dachte er bitter. Woher soll ich die nehmen? Er goss sich Kaffee in den Becher und ging hinüber ins Wohnzimmer. Kathleen und er hatten die Wohnung gekauft, als Katie unterwegs war. Als er den Vertrag unterschrieben hatte, war das ein ziemlich großes finanzielles Wagnis, dachte Gregg. Doch er war damals sicher gewesen, dass er als Agent erfolgreich sein würde. Nun ja, so ist es auch gekommen, und wo stehe ich jetzt?
Kathleen ist in jenen Tagen aufgeregt gewesen wie ein kleines Kind, hat die Wandfarben ausgesucht, die Möbel und Teppiche. Sie hatte einen guten Geschmack und ein Händchen dafür, besondere Schnäppchen aufzuspüren. Sie pflegte immer lachend zu sagen, dass sie genau wie er nicht mit dem goldenen Löffel geboren wurde. Tief in Gedanken versunken, stand Gregg mitten im Wohnzimmer.
Wenn sie nicht gestorben wäre, dachte er, wäre es nie zu der Beziehung mit Natalie gekommen. Und ich müsste heute nicht vor Gericht stehen und die Geschworenen davon zu überzeugen versuchen, dass ich kein Mörder bin. Eine Woge von Sehnsucht überkam ihn. Er spürte ein körperliches und seelisches Verlangen nach ihr. »Kathleen«, flüsterte er, »steh mir bei heute. Ich habe Angst. Wenn sie mich schuldig sprechen, wer wird sich dann um Katie kümmern?«
Er stand eine Weile da, schluckte und kämpfte mit den Tränen, dann biss er sich auf die Lippe. Hör auf, befahl er sich, Schluss damit! Geh jetzt in die Küche und mach das Frühstück für Katie. Wenn sie dich so sieht, wird sie noch ganz verzweifeln.
Auf dem Weg in die Küche kam er an dem Tischchen vorbei, in dem er laut Eastons Aussage das Geld für den Mordauftrag aufbewahrt haben sollte. Er blieb stehen, legte die Hand an den Griff der Schublade und zog sie auf. Das Quietschen, das Jimmy Easton so zutreffend beschrieben hatte, klang schmerzhaft in seinen Ohren. Mit bitterer Wut knallte Gregg sie wieder zu.
35
N a? Alles bereit für den großen Auftritt?«
Emily sah auf. Es war Montagmorgen, halb acht, und sie saß in ihrem Arbeitszimmer. Der Ermittlungsbeamte Billy Tryon stand im Türrahmen. Einer von den Menschen, die ich am wenigsten ausstehen kann, dachte sie, irritiert über den herablassenden Ton, den sie aus seiner Stimme herausgehört hatte.
»Kann ich noch irgendetwas für Sie tun, Emily? Ich weiß, dass das heute ein großer Tag für Sie im Gericht ist.«
»Ich glaube, ich bin ganz gut vorbereitet, Billy. Trotzdem, danke.«
»›Jetzt oder nie‹, um mit Elvis zu sprechen. Ich wünsche Ihnen viel Glück heute mit Aldrich. Hoffentlich nehmen Sie ihn im Zeugenstand ordentlich auseinander.«
Emily fragte sich, ob Tryons gute Wünsche wirklich aufrichtig gemeint waren oder ob er nicht insgeheim hoffte, dass sie scheitern würde. Doch im Moment war ihr das gleichgültig. Darüber würde sie sich später Gedanken machen können.
Tryon schien nicht die Absicht zu haben, gleich wieder zu gehen. »Sie dürfen nicht vergessen, dass Sie auch für Jake und mich kämpfen werden«, sagte er. »Wir haben eine Menge Arbeit in diesen Fall investiert. Und dieser Aldrich ist ein Mörder, das wissen wir alle.«
Emily begriff, dass er gern ein Lob hören wollte, und
entgegnete widerwillig: »Ich weiß, dass Sie und Jake sehr hart gearbeitet haben, und ich hoffe natürlich, dass die Geschworenen auch so denken wie Sie.«
Endlich ist er beim Friseur gewesen, dachte sie. Wenn er wüsste, wie viel besser er aussieht, würde er das vielleicht öfter tun. Sie musste zugeben, dass
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