Denn rein soll deine Seele sein
»Ich versuche hinzukommen, ehe was passiert.«
»Findest du das nicht ein bißchen übereilt, Pete? Wir haben gegen den Mann schließlich nichts in der Hand.«
»Es war leichtsinnig von ihr, sie wußte, daß der Verdacht gegen ihn noch nicht ausgeräumt war.«
Er ärgerte sich über sich selbst. Er hätte Sarah sofort bitten sollen, Zvi zur Mikwe zu schicken und dort auf ihn zu warten. Wenn Sarah nicht so schnell aufgelegt hätte... Wenn sie nicht den Hörer falsch eingehängt hätte... Wenn er irgend jemand aus der Jeschiwa erreicht hätte... Der Tacho kletterte auf hundertvierzig, der Wagen schepperte wie eine leere Konservendose. Ein Buckel auf der Fahrbahn - und sie waren hin. Aber Marge sagte kein einziges Wort.
Rina wischte die letzte Pfütze auf und stellte die Heizung ab. Das Großreinemachen war dringend nötig gewesen, sie war froh, daß sie gekommen war.
Ruthie Zipperstein hatte sie händeringend darum gebeten. Die Familienkutsche war seit einer Woche in der Werkstatt, das rituelle Bad drei Tage überfällig, und Ruthies Mann, Yisroel, hatte keinen Wagen bekommen, um sie zu einer anderen Mikwe zu fahren. Sie taten sich schwer mit dem Warten. Rina hatte sich bereit erklärt, unterderhand auszuhelfen, wenn Yisroel sie hinterher nach Hause brachte. Aber der hatte sich am Nachmittag den Knöchel verstaucht.
Rina wollte schon absagen, aber dann begriff sie, daß dieser Unhold, der ihr nachstellte, sie ja nicht nur körperlich, sondern auch seelisch terrorisierte. Sie hatte es so satt, ständig über die Schulter schauen, ständig Türschlösser und Fensterriegel kontrollieren zu müssen. Angst und Schrecken beherrschten ihr Leben. Irgendwann mußte mal Schluß sein. Aber sie war eine vernünftige Frau und kam deshalb auf eine vernünftige Lösung. Sie würde Peter bitten, sie und Ruthie heimzubringen.
Als sie anrief, war er nicht da. Macht nichts, dachte sie, ich versuche es später noch mal. Aber dann kam sie ins Grübeln. Wie war das doch damals, nach Yitzchaks Tod? Da warst du völlig hilflos. Immer hatte er sich um alles gekümmert, du hast überhaupt nicht gewußt, wie du ohne ihn auskommen solltest. Das darf dir nicht noch einmal passieren, du kannst nicht in jeder kritischen Situation zu Peter laufen, sonst bist du bald wieder genauso unselbständig, wie du es als brave Tochter und als brave Ehefrau warst.
Entschlossen hatte sie Steve Gilbert angerufen, ihm eine Nachricht auf seinem Anrufbeantworter hinterlassen und es bei Matt versucht, der sofort zugesagt hatte, einzuspringen.
Sie war richtig stolz darauf, wie sie diese Angelegenheit geregelt hatte. Jetzt war sie hier, ohne Peters Hilfe, es war ein echter Sieg. Sie sah auf die Uhr und machte das Licht aus. Matt, der Ruthie heimgebracht hatte, mußte jeden Augenblick wieder hier sein.
Sie ging in den Aufenthaltsraum und wischte zum drittenmal die Tischplatten ab. Die Stille kam ihr plötzlich unheimlich vor. Es war sehr heiß, sie hatte sich nicht die Mühe gemacht, die Klimaanlage einzuschalten.
Sie öffnete den Wäscheschrank und rückte nervös an den Handtüchern herum. Dann hielt sie inne. Zehn vor zehn. Sie hatte bei Sarah Peters Nummer hinterlassen. Schlimmstenfalls konnte sie immer noch das Licht ausmachen und im Dunkeln auf ihn warten. Endlich Schritte, ein leises Klopfen.
»Wer ist da?«
»Matt.«
Rina schloß auf und ließ ihn ein. »Ich habe mir schon Sorgen gemacht.«
Hawthorne lächelte. »Ich bin auf dem Rückweg einem der Jungs über den Weg gelaufen. Du kennst sie ja. Wenn sie mal vom Sport anfangen, sind sie nicht zu bremsen. Tut mir leid, daß ich so spät dran bin. Bist du fertig?«
»Ich hab noch Handtücher im Wäschetrockner. Hast du noch einen Augenblick Zeit?«
»Aber sicher.« Hawthorne sah sich um. »Das ist also euer Refugium. Ich hätte schon immer gern mal ein Nonnenkloster von innen gesehen.«
Rina lächelte mühsam. »Gehen wir?«
»Und deine Wäsche?«
»Mir ist gerade eingefallen, daß Sarah Adler mich erwartet. Ich hatte ihr gesagt, daß sie die Polizei verständigen soll, wenn ich bis zehn nicht da bin.«
Hawthorne machte ein bestürztes Gesicht. »Das wäre nicht nötig gewesen.«
»Nur sicherheitshalber. Es ist auch zu deinem Schutz, Matt.«
»Ich brauche keinen Schutz. Du traust mir doch, Rina?«
»Aber natürlich«, sagte sie ein wenig zu betont. »Hätte ich dich sonst angerufen?«
Hawthornes Augen zuckten. Er fuhr sich mit der Hand durch das dichte, lockige Haar und sah sie an. »Von
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