Denn Wahrheit musst du suchen
einer von den Wachleuten sein. Jerry oder Zelazny wären zu so was nicht fähig. Ausgeschlossen.«
Allie und Nicole wechselten einen Blick. Nichts war mehr ausgeschlossen.
Der nächste Tag war ein Sonntag. Um neun Uhr morgens wartete Allie vor Isabelles Büro.
Die Tür war abgeschlossen, das Büro schien verlassen.
Mit verschränkten Armen lehnte Allie sich gegen die Wand und machte es sich gemütlich.
Irgendwann muss sie ja mal zurückkommen.
Carter und Sylvain sollten von nun an Zelazny und Jerry im Auge behalten. Nicole und Rachel wollten so viel wie möglich über die anderen Lehrer in Erfahrung bringen. Und Zoe sah sich unter Rajs Schichtleitern um.
Allie fiel die Aufgabe zu, so viel wie irgend möglich aus Isabelle rauszubekommen.
Einer von ihnen würde etwas herausfinden, denn wer immer der Spion war, er konnte nicht perfekt sein. Irgendwann würde er einen Fehler machen. Sie mussten nur die Augen offen halten.
Doch je mehr Zeit verging, desto mehr wünschte sie sich, sie hätte eine andere Aufgabe zugeteilt bekommen.
Sie hüpfte von einem Fuß auf den anderen. Ließ sich auf den Boden sinken und streckte die Beine aus. Zählte sogar die Paneele in der eichengetäfelten Wand, doch sie war nicht wirklich bei der Sache.
Das nächste Mal nehm ich mir ein Buch mit.
Als es Zeit zum Mittagessen wurde und Isabelle noch immer nicht aufgetaucht war, nahm Allie sich vor, das Mittagessen ausfallen zu lassen und weiter auszuharren. Doch auf Dauer konnte sie dem köstlichen Duft, der durch den Flur waberte, nicht widerstehen.
Ein kurzes Päuschen kann bestimmt nicht schaden
, sagte sie sich.
Wo immer Isabelle steckt, hier ist sie jedenfalls nicht.
Als sie den Speisesaal betrat, saßen Rachel und Nicole bereits am Tisch, aßen Sandwiches und tuschelten miteinander. Allie gesellte sich zu ihnen.
»Irgendwelche Neuigkeiten?«, fragte Allie.
Die beiden schüttelten den Kopf.
»Fehlanzeige«, antwortete Rachel. »Und bei dir?«
»Dito. Isabelle hat sich nicht blicken lassen. Ich hab den ganzen Vormittag vor ihrem Büro gewartet.« Finster beobachtete Allie die ordentlich gestapelten Sandwiches auf dem Tablett in der Mitte des Tisches. »Ich wüsste echt mal gern, wo die steckt.«
Weil ihr die Kälte von ihrem nächtlichen Ausflug immer noch in den Knochen steckte, warf sie einen Blick in die Suppenschüssel. »Heute gibt’s wieder grüne Gruselsuppe«, warnte Rachel sie. »Ich würd die Finger davon lassen.«
Skeptisch sahen die beiden zu, wie Allie sich Suppe von zweifelhafter Farbe in eine weiße Porzellanschale mit Cimmeria-Wappen schöpfte.
»Ich brauch einfach was Heißes«, sagte Allie. »Und wenn es Soylent Green ist.«
»Soylent Green, das ist doch Menschenfleisch!«, verkündete Zoe und ließ sich neben sie auf den Stuhl fallen.
»Na bravo«, sagte Rachel. »Jetzt hast du mir das Ende vom Film versaut.«
»Ich dachte, den kennt jeder.« Zoe starrte auf Allies Suppe. »Sieht das widerlich aus. Könnte wirklich Menschenfleisch sein.«
»Schmeckt aber viel besser, als es aussieht«, erwiderte Allie unbekümmert. Dann sah sie zu Zoe auf. »Hast du was erreicht?«
»Erreicht? Inwiefern?«, fragte Zoe verdutzt.
Allie neigte bedeutungsvoll den Kopf. »Na, du weißt schon … Diese Sache … von heute Nacht.«
»Ach so, du meinst von wegen
ausspionieren
.«
Pst!
, machten die anderen, während Zoe sich ein Sandwich nahm. »Ein bisschen was schon.«
Die beiden spitzten die Ohren.
»Und was hast du herausgefunden?«, fragte Allie.
»Es ist so, wie wir gedacht haben. Sie halten Eloise fest.«
»Und wo?«, fragten die anderen alle auf einmal.
Den Mund voller Käsesandwich, antwortete Zoe: »Weiß ich nicht – das haben sie nicht gesagt. Aber die Wachen haben langsam die Nase voll. Schieben in einer Tour Doppelschichten. Die haben schließlich auch Familie. Davon war aber nicht die Rede, als sie mit dem Job hier angefangen haben. Und in illegale Machenschaften wollen sie auch nicht verwickelt werden.«
Zoes Ausdrucksweise war eigenartig, ihr Akzent änderte sich von Satz zu Satz. Es dauerte eine Weile, bis Allie kapierte, dass Zoe die Gespräche der Wachleute exakt so wiedergab, wie sie sie gehört hatte. Zoes natürliche Neigung zur Präzision machte sie zur idealen Spionin.
»Wir müssen unbedingt herausfinden, wo sie Eloise festhalten«, sagte Allie. »Dort ist bestimmt auch Isabelle. Bloß wie soll ich mit ihr reden, wenn ich nicht mal weiß, wo sie ist?«
Vor lauter Überdruss hatte
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