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Denn Wahrheit musst du suchen

Denn Wahrheit musst du suchen

Titel: Denn Wahrheit musst du suchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. J. Daugherty
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Nachttisch lag – sie hatte vergessen, das Buch an seinen Platz zurückzulegen.
    »Augenblick noch«, rief sie Sylvain hinterher, während sie die untere Schublade öffnete und gleichzeitig nach dem Buch griff. Dabei fiel etwas aus den Seiten und landete mit einem metallischen Klirren auf dem Holzboden.
    Sofort war Sylvain an ihrer Seite. »Was ist das?«
    Sie beugten sich hinunter und sahen einen kleinen Silberschlüssel auf den dunklen Dielen glänzen.
    »Oh nein«, wisperte Allie.
     
    Als sie Zelaznys Wohnung verließen, war schon längst Nachtruhe. Sie hatten alles genau an seinen Platz zurückgestellt, bis auf den Schlüssel, der nun tief in Allies Rocktasche steckte.
    Als alles in Ordnung war, schaltete Sylvain das Licht aus, legte dann das Ohr an die Tür und horchte still. Einen Augenblick später öffnete er die Tür einen Spalt weit und linste nach draußen – der Flur war leer.
    Leise wie Gespenster schlüpften sie auf den langen Korridor hinaus.
    Entschlossen und schnell gingen sie los, doch die Tür am Ende des Gangs kam Allie verdammt weit weg vor, und sie heftete beschwörend den Blick darauf, damit sie endlich näher kam.
    Die Vorstellung, Zelazny sei der Spion, erschien ihr unmöglich. Allein bei dem Gedanken wurde ihr schwindelig. Der Schlüssel in ihrer Tasche, den sie mit der Hand umschlossen hatte, fühlte sich heiß an. Zelazny sollte Beihilfe zum Mord an Jo geleistet haben? Ausgerechnet Zelazny, der immer so um die Sicherheit der Schule bemüht gewesen war, um die Sicherheit Isabelles, der von allen die strikte Befolgung der Internatsregeln verlangte? Zelazny mit seiner verschwundenen Familie und seiner geleckten Wohnung …
Und der soll Nathaniel dabei geholfen haben, Menschen umzubringen?
    Unmöglich. Und doch … Sie hatte den Beweis in der Hand.
    Aber Schlüssel besaßen viele Leute. Es gab nur eine Möglichkeit, herauszufinden, ob es der richtige Schlüssel war, und sie waren dabei, es herauszufinden. Doch erst einmal mussten sie unentdeckt aus dem Lehrertrakt kommen. Um diese Uhrzeit wäre es nicht ungewöhnlich gewesen, wenn ein Lehrer den Wohntrakt betreten hätte. Sie mussten darauf gefasst sein, jederzeit entdeckt zu werden. Und in diesem langen, schmalen Flur gab es kein Versteck.
    Vierzig Schritte, einundvierzig, zweiundvierzig …
    Sie hatten die Tür fast erreicht, als sie hinter sich das unverwechselbare Geräusch einer sich öffnenden Tür hörten. Doch keiner von beiden zauderte.
    Ohne nach rechts oder links zu schauen, gingen sie selbstbewusst weiter.
    Wer immer die Tür geöffnet hatte, schien sie nicht bemerkt zu haben – niemand forderte sie auf, stehen zu bleiben.
    Zehn Schritte später hatten sie endlich die Tür erreicht und waren draußen.
    Still gingen sie an den Marmorstatuen vorbei den breiten, leeren Hauptflur entlang. Die Schüler lagen längst in ihren Betten, die meisten Lichter waren ausgeschaltet. Wie zwei Schatten huschten sie über das im Halbdunkel liegende, gebohnerte Eichenparkett.
    Vor der vertrauten geschnitzten Tür zu Isabelles Büro blieben sie stehen wie x-beliebige Schüler einer x-beliebigen Schule vor der Tür zum Rektorinnenbüro und klopften. Als niemand »Herein« rief, wechselten sie einen Blick.
    Allie holte den kleinen, harmlos aussehenden Schlüssel aus ihrer Tasche und steckte ihn mit fester Hand ins Schloss. Er ließ sich mühelos drehen. Beide hörten sie, wie der Riegel zurückgeschoben wurde.
    Leise stieß sie den Atem aus. Bis zu diesem Augenblick war ihr nicht bewusst gewesen, wie sehr sie gehofft hatte, der Schlüssel würde nicht passen.
    Sylvain biss sich auf die Unterlippe und wandte sich ab. Allie spürte seine tiefe Enttäuschung. Er hatte fest an Zelazny geglaubt.
    Zaghaft legte sie ihm die Hand auf die Schulter, um ihm ohne Worte mitzuteilen, dass sie wusste, wie ihm zumute war. Dass sie die furchtbare Resignation ob des Verrats teilte.
    Sylvain wandte sich um und sah sie an. Und zum ersten Mal seit langer Zeit spürte sie wieder die Kraft der Verbindung, die einmal zwischen ihnen bestanden hatte. Das Gefühl traf sie unvorbereitet – wie grelles Licht in einem dunklen Raum.
    Seine Hand wanderte nach oben und legte sich auf ihre.
    Das fühlt sich aber nicht wie Freundesliebe an
, dachte Allie, während ihr Herz einen Satz machte.
    Das weiche Geräusch sich nähernder Schritte zerstörte den Augenblick. Sylvain hielt ihre Hand fester und sah ihr in die Augen. Sie nickte, zum Zeichen, dass sie es auch gehört

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