Denn Wahrheit musst du suchen
prima miteinander aus. Mit ihr ist es irgendwie anders.«
Allie wusste, dass er es nicht so gemeint hatte, doch seine Worte schnitten ihr wie eine Rasierklinge ins Herz. Denn miteinander auskommen, das war genau die eine Sache, die Carter und sie als Paar nie hinbekommen hatten. Die Vorstellung, dass Jules und er nie Streit hatten – und sich einfach blind verstanden –, kam ihr wie ein weiterer Beleg für ihr eigenes Versagen als Carters Freundin vor.
Es war irgendwie komisch – er hatte alles gesagt, was sie hören wollte. Und trotzdem tat es weh.
»Neulich, als wir zusammen durch den Wald gelaufen sind«, fuhr Carter fort, »da war es irgendwie so wie früher. Und ich hab dich einfach nur angesehen und mich daran erinnert, wie es mit uns war. Also, an die guten Sachen. Und dann ist irgendwie der Gaul mit mir durchgegangen, und ich hab’s verbockt. Tut mir leid, Allie, aber Jules bedeutet mir sehr viel. Ich kann sie nicht einfach …« Carter verstummte. Auf seinen Wangen hatten sich rote Flecken gebildet. »Wenn sie je davon erfährt, was passiert ist …«
Auf dieses Stichwort hatte Allie nur gewartet.
»Das wird sie nicht«, versicherte sie ihm inbrünstig. »Jedenfalls nicht von mir. Und du darfst ihr’s nie erzählen! Ich hatte auch nicht vor, dich zu küssen. Es war ein Versehen. So was wie ein Autounfall oder so. Wir waren alleine da draußen, es war dunkel, und wir waren es einfach
gewohnt
, uns zu küssen. Aber jetzt müssen wir eben so tun, als wär’s nie passiert – und lernen, Freunde zu werden. Richtig gute Freunde«, sagte sie voller Leidenschaft. »Carter, ich möcht so gerne, dass wir wieder Freunde sind. Ich möcht dich nicht schon wieder verlieren. Lass uns bitte einfach … Freunde sein!«
Carter war sichtlich überrascht davon, wie nahe ihr das Ganze ging. »Aber du hast mich doch nie verloren, Allie«, sagte er und sah sie an. »Also, nicht wirklich.«
Sie wusste, dass das nicht stimmte.
»Wir haben einander verloren. Und wenn wir je wieder zusammenkommen, wird das, glaube ich, wieder passieren«, erwiderte sie resolut. »Lass uns einfach für immer Freunde bleiben, Carter.«
Er schaute ihr tief in die Augen. »Ich werde immer dein Freund sein, Allie. Für immer und ewig. Ich schwör’s.«
Als der Nachmittagsunterricht endlich um war, rannte Allie nach unten, wo sie mit den anderen verabredet war. Bei jedem Schritt rumpelte die schwere Büchertasche rhythmisch gegen ihre Hüfte. Sie hatte das Ende der großen Treppe beinahe erreicht, da hörte sie, wie jemand ihren Namen rief.
Als sie sich umdrehte, sah sie Katie auf sich zukommen. Sie trug das Haar offen, und ihre langen, kupferfarbenen Locken loderten im Nachmittagslicht.
»Ich such schon die ganze Zeit nach deiner … ja, wie soll ich sagen?
Bande
.« Katie betonte das Wort mit offenkundigem Abscheu. »Ich muss mit dir sprechen.«
Allie rollte nur mit den Augen. »Bande, Freunde, egal. Was ist denn?«
»Meine Eltern haben sich bei mir gemeldet.«
Allie runzelte die Stirn. »Wie – gemeldet?«, fragte sie und dachte:
Versteh ich nicht. Das muss doch über Isabelle laufen – und die ist gar nicht da.
Katie warf ihr einen gelangweilten Blick zu. »Kriegst du eigentlich gar nix mit, Allie? Die können machen, was sie wollen. Wenn sie mit mir reden wollen, dann reden sie mit mir. Es würde echt helfen, wenn du wenigstens
ein Mal
nicht mit mir streiten würdest.«
Allie hob beschwichtigend die Hände. »Ist ja gut. Du hast also mit deinen Eltern geredet. Und, ist alles … okay?«
»Gar nichts ist okay«, blaffte Katie. »Sonst würde ich ja wohl kaum hier stehen und mit dir reden, oder?« Sie wechselte den Tonfall und sagte mit Bettelstimme: »Ach, hi, Allie, ich muss dir unbedingt was erzählen:
Es ist wirklich gar nix Interessantes passiert!
«
Allie konnte sich nur mühsam beherrschen. »Meine Güte, Katie. Jetzt komm mal runter. Erzähl mir einfach, was los ist. Wenn’s geht, heut noch.«
»Dass ihr auch die Einzigen sein müsst, die mir helfen können. Ich pack’s nicht«, murmelte Katie angewidert. Sie ließ den Blick schweifen, um sicherzugehen, dass niemand sie belauschte, dann senkte sie die Stimme. »Sie haben gesagt, dass sie vielleicht noch diese Woche
für einige Zeit wegfahren
. Und dass ich doch
mitkommen
soll. Ich soll doch schon mal für alle Fälle Koffer packen.«
»Wieso sollst …?«, setzte Allie an. Doch kaum hatten die Worte ihren Mund verlassen, begriff sie, was Katie
Weitere Kostenlose Bücher